25 Jahre nach Rot-Grün: Die Koalition der Reformen und Kontroversen

Vor 25 Jahren begann in Deutschland ein neues politisches Kapitel: Am 27. September 1998 gewann die SPD unter Gerhard Schröder die Bundestagswahl. Einen Monat später wurde er mit Unterstützung der Grünen zum Bundeskanzler gewählt. Die lange Kohl-Ära ging zu Ende. Es folgten sieben Jahre "rot-grüner" Regierung, die von Reformen, großer Weltpolitik und politischem Umbruch geprägt waren. (ddp)

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Ungeachtet seiner politischen Erfolge in Zusammenhang mit der Wiedervereinigung und der Europapolitik wirkte Helmut Kohl nach 16 Jahren im Amt erschöpft und ideenlos. Schröder warb für einen Wechsel mit dem Versprechen „nicht alles anders, aber vieles besser“ machen zu wollen. Kohl gratuliert Schröder zu seiner Wahl in Bonn am 27. Oktober 1998.

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Zum ersten Mal bildeten zwei Parteien die Bundesregierung, die traditionell links von der Mitte verortet wurden und das „Projekt Rot-Grün“ startete mit großen politischen Ambitionen. Die erste Regierung Schröder zusammen mit Bundespräsident Roman Herzog in Bonn.

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Mit Schröder, zuvor Ministerpräsident Niedersachsens, zog ein neuer Stil im Kanzleramt ein. Legendär waren seine Vorliebe für edle italienische Anzüge und Cohiba-Zigarren aus Kuba. Wegen seiner Nähe zu Volkswagen und anderen Konzernen wurde er oft „Autokanzler“ und „Genosse der Bosse“ genannt.

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Bekannt war Schröder auch für seine Macho-Sprüche. „Ich heirate alle 12 bis 13 Jahre, aber dazwischen bin ich treu“, sagte er einmal. Während seiner gesamten Amtszeit war er mit der Journalistin Doris Schröder-Köpf verheiratet, seiner vierten Ehefrau. Seit 2018 ist er in fünfter Ehe mit der südkoreanischen Übersetzerin So-yeon Schröder-Kim verheiratet.

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Für Schlagzeilen in der Boulevardpresse sorgte auch "Kanzlergans" Doretta. Doretta, eigentlich ein Ganter, war als Weihnachtsessen der Familie Schröder im Jahr 2000 vorgesehen, wurde allerdings auf Wunsch der damals neunjährigen Tochter von Doris Schröder-Köpf begnadigt. Schröder finanzierte Dorettas Unterhalt bis zum Ende seiner Kanzlerschaft 2005.

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Vizekanzler und Außenminister wurde der Grünen-Chef Joschka Fischer. Seine 68er Vergangenheit, seine Vereidigung als hessischer Umweltminister in Turnschuhen und Jackett und kernige Sätze wie "Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch!" (an Bundestagsvizepräsident Richard Stücklen gerichtet) bescherten ihm in den 80ern einen Ruf als Rebell und schillerndem Polit-Star.

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Außenpolitisch wurden es sehr bewegte Zeiten für das Duo Schröder-Fischer. Wenige Monate nach der Amtsübernahme beteiligte sich die Bundewehr an dem im März 1999 gestarteten NATO-Einsatz im Kosovo. Eine Entscheidung, die auch in den eigenen Koalitionsreihen, vor allem dem friedensbewegten grünen Lager, höchst kontrovers diskutiert wurde.

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Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 sicherte Schröder den USA "uneingeschränkte Solidarität" zu. Deutschland beteiligte sich an den von den USA ausgerufenen Krieg gegen den Terror in Afghanistan und entsandte in zehn Jahren bis zu 5.350 Soldaten in das Land am Hindukusch. Der damalige US-Außenminister Colin Powell zu Besuch in Berlin Ende 2001.

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Ein Jahr später kam es allerdings zu einer nachhaltigen Verstimmung mit US- Präsident George W. Bush wegen der Absage Schröders an einer Beteiligung Deutschlands am Kriegseinsatz im Irak. Schröder machte das "Nein zum Krieg" zu einem zentralen Versprechen im Wahlkampf 2002.

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Deutschland und Frankreich übten den politischen Schulterschluss in der Ablehnung des Irak-Kriegs und wurden deshalb von den USA als "altes Europa" verspottet. Schröder und der damalige französische Präsident Jacques Chirac sprechen im März 2003 vor der Berliner Kneippe "Zur letzten Instanz" über die internationale Konfliktlage.

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Der russische Präsident Wladimir Putin wurde zu einem Partner und persönlichen Freund des Kanzlers. Nach seinem Ausscheiden aus der Politik übernahm Schröder Aufsichtsratsposten bei russischen Energiekonzernen. Diese Russland-Aktivitäten sowie eine ausbleibende Distanzierung von Putin brachten ihm starke Kritik nach Beginn des Ukraine-Krieges ein.

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Der Umzug von Bonn nach Berlin wurde Wirklichkeit. Schröder zog als erster Bundeskanzler in das neue Bundeskanzleramt in Berlin ein, das noch von seinem Vorgänger Kohl entworfen worden war. Schröder erhält am 2. Mai 2001 den symbolischen Schlüssel vom Architekt Axel Schultes.

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Im Jahr 2001 verabschiedete Rot-Grün das Gesetz für "Eingetragene Lebenspartnerschaften", im Volksmund auch "Homo-Ehe" genannt. Damit wurden gleichgeschlechtliche Partnerschaften erstmals rechtlich anerkannt und der Ehe zwischen Frau und Mann weitgehend gleichgestellt, wobei am Anfang noch bedeutende Unterschiede bei Adoption und Steuerfragen bestanden.

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Mit dem Vertrag über den Atomausstieg im Dezember 2001 gelingt den Grünen die Umsetzung eines ihrer wichtigsten politischen Vorhaben. Die ersten Kernkraftwerke werden zwei Jahre später abgeschaltet. Der damalige Umweltminister Jürgen Trittin und Fraktionschefin Kerstin Müller feiern im Bundestag die Verabschiedung des Gesetzes.

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Anfang 2002, während der ersten Amtszeit von Schröder, fand die Einführung des Euros statt. Der D-Mark verschwand aus den Portemonaies. In den Monaten nach der Euro-Einführung kam es zu starken Steigerungen bei den Verbraucherpreisen. Der Euro wurde zum "Teuro".

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Die angeschlagene konservative Opposition war in diesen Jahren mit der Aufarbeitung der CDU-Spendenaffäre und internen Lagerkämpfen beschäftigt. Altkanzler Kohl musste Anfang 2000 den Ehrenvorsitz der Partei abgeben. Kurz darauf wurde Angela Merkel zur Parteichefin gewählt. Sie bekam allerdings anfangs starken Gegenwind aus Teilen der Union.

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Der damalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber setzte sich bei der Nominierung zum Kanzlerkandidaten von CDU/CSU gegen Merkel durch. Allerdings scheiterte er bei der Wahl und die rot-grüne Koalition erreichte eine zweite Amtszeit. Merkel ging allerdings gestärkt aus der innerparteilichen Auseinandersetzung hervor.

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Zu der Wiederwahl von Rot-Grün im September 2002 trug unter anderem das Krisenmanagement der Bundesregierung während der historischen Flutkatastrophe des Sommers 2002 bei. Eine Luftaufnahme der Altstadt von Dresden im August 2002.

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Die zweite Regierungszeit von Schröder war vor allem durch die "Agenda 2010" geprägt, einen Plan für die Reform des Sozialsystems und des Arbeitsmarktes. Während der Kanzlerschaft Schröders stieg die Arbeitslosigkeit zeitweise auf bis zu 4,9 Millionen Arbeitslose und das Haushaltsdefizit wuchs rasant.

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Teile der "Agenda" führten auch zu Einschnitten im Sozialstaat. Um die Krankenkassen zu entlasten, wurde die sogenannte Praxisgebühr eingeführt. Gesetzlich Versicherte mussten für den Arztbesuch nun zehn Euro pro Quartal bezahlen. Die damalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt zeigt zehn Finger während einer Bundestagsdebatte über die Praxisgebühr.

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Für viel politischen Streit sorgte auch die Einführung der "Riester-Rente", die vom SPD-Arbeitsminister Walter Riester (rechts im Plakat) entworfen worden war. Das neue Rentenmodell sah in Ergänzung zum bislang üblichen Umlageverfahren auch eine private Beteiligung der Versicherten vor. Staatliche Zulagen und Steuervorteile dienten als Anreiz für die Beteiligung an der "Riester-Rente"

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Für die Reform des Arbeitsmarktes ließ sich Schröder von Peter Hartz beraten, dem langjährigen Personalchef von Volkswagen. Es war die Geburtsstunde der "Ich-AGs" für die Förderung der Selbstständigkeit, der "Minijobs" mit einer maximalen Vergütungsgrenze von 400 Euro sowie vom "Arbeitslosengeld II", auch als "Hartz IV" bekannt.

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Die Einführung von "Hartz IV" als Ersatz der bisherigen Sozialhilfe mit einem Regelsatz von anfangs nur 345 Euro pro Monat brachte Langzeitarbeitslose deutliche Einkommenskürzungen ein. Das Land entflammte über Monate in Protesten. Schröders SPD versank in einem Umfragetief, von dem sich die Partei lange nicht erholen sollte.

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Nach einer Wahlniederlage in der SPD-Hochburg Nordrhein-Westfalen entschied sich Schröder für eine vorgezogene Bundestagswahl. Er richtete die Vertrauensfrage im Parlament und scheiterte, woraufhin Bundespräsident Horst Köhler (Bild) am 21. Juli 2005 die Auflösung des Bundestages und Neuwahlen für den 18. September 2005 anordnete. Wie sich zeigen sollte, war damit das Ende von Rot-Grün besiegelt.