Russland-Wahl: Mit diesen Tricks will Putin eine hohe Wahlbeteiligung "erzwingen"

Vom 15. bis 17. März "dürfen" Russ:innen wählen – doch viele habe offenbar gar keine Lust. Das will Kreml-Chef Wladimir Putin ändern.

Wladimir Putin will seinen Chefposten nicht abgeben. Um bei Russlands Präsidentschaftswahl nochmal antreten zu können, änderte er eigens die Verfassung. Kritische Stimmen sprechen von "Scheinwahlen" und einer "Parodie".

Offenbar ist das auch den Russ:innen bewusst. Laut Quellen der Kreml-kritischen Zeitung "Meduza" hat die russische Bevölkerung wenig Lust auf die Wahlen. Russlands Behörden befürchten eine historisch niedrige Wahlbeteiligung und das würde kein gutes Licht auf Putin werfen.

Aber es scheint schon Pläne zu geben, dies zu verhindern.

Russland-Wahl mit elektronischen Wahlterminals und QR-Codes

Ein Weg zur erwünschten Wahlbeteiligung von 70 bis 80 Prozent sollen elektronische Wahlterminals und QR-Codes sein, meint "Meduza"-Sonderkorrespondent Andrey Pertsev.

Dadurch könne Putin von der Regierung abhängige Wählende – wie Beamt:innen, Angestellte staatlicher Unternehmen und Arbeitende in regierungstreuen Privatunternehmen – unter Druck setzen, ihre Stimme abzugeben. Am besten im Schlepptau mit ihren Freund:innen und ihrer Familie.

Ein Militärangehöriger gibt seine Stimme bei den russischen Parlamentswahlen 2022 ab.

"Die Gruppe mit der höchsten Wahlbeteiligung sind die Mitglieder und Anhänger der Regierungspartei 'Einiges Russland'. Jeder von ihnen soll zehn weitere Personen zur Wahl schicken", sagt eine der Führung von "Einiges Russland" nahestehenden Quelle.

Weiter heißt es:

"Wenn man Mitglied von ['Einiges Russland'] ist und die damit verbundenen Privilegien in Anspruch nimmt, wird von einem erwartet, dass man sich für die Partei einsetzt. Das ist eine gängige Praxis in vielen Ländern: Parteimitglieder machen Wahlkampf unter ihren Verwandten und Freunden."

Laut Angaben eines regionalen Mitglieds von "Einiges Russland" sei das Zehn-Personen-Ziel eine "hohe Messlatte". Die Erwartungen an Angestellte des öffentlichen Sektors und Mitarbeitende von Unternehmen, die der Regierung nahestehen, fallen hingegen milder aus.

Von diesen Gruppen werde erwartet, dass sie zwei bis drei zusätzliche Wählende mitbringen. Dabei laste auf Beamt:innen und parteilose Funktionär:innen, die einen Gehaltsscheck vom Staat erhalten, ein größerer Druck als etwa auf Geschäftsleute, meint eine Putin-Regierung nahestehende Quelle gegenüber "Meduza".

"Außerdem klammern sich diese Leute stärker an ihre Positionen. Je kleiner ihre Stadt ist, desto mehr sind sie bestrebt, ihren Job zu behalten. Sie werden also versuchen, so viele Menschen wie möglich an die Urnen zu bringen", heißt es weiter.

Zusätzlich müssen Angestellte des öffentlichen Dienstes und Geschäftsleute einige Wochen vor der Wahl ihren Namen, sowie die Telefonnummern und E-Mail-Adressen der Personen angeben, die sie zur Wahl mitbringen wollen. Das behaupten zwei politische Strateg:innen, die mit dem Kreml zusammenarbeiten.

Vor der Einführung der elektronischen Wahlsysteme durch die russischen Behörden im Jahr 2019, sei es wesentlich schwieriger gewesen, die "Anstrengungen" der Angestellten zu überwachen, ihre Leute zur Wahl mitzubringen. Demnach gebe es Pläne, "die Mobilisierung der Unternehmen durch elektronische Fernabstimmung in den Regionen zu maximieren, in denen sie bereits eingeführt ist".

In Regionen, wo es solch eine elektronische Stimmabgabe noch nicht gibt, wollen russische Behörden die Mobilisierungsbemühungen der Unternehmen unter anderem mit Hilfe von QR-Codes überwachen, heißt es. Abteilungsleiter:innen werden demnach diese Codes an ihre Untergebenen verteilen und ihnen "ans Herz legen", wählen zu gehen, weil sie sonst ihren Posten verlieren könnten.

Aber schon allein die bloße Verteilung der Codes werde psychologisch wirksam sein, um die Leute zum Wählen zu "motivieren", ordnet ein Politstratege für "Meduza" ein. Allerdings könnte der Plan von Putin diesmal nicht ganz aufgehen.

Soldaten an der Front führen zu einem Arbeitskräftemangel

Bisher konnte Putin mit der Angst der Menschen spielen, dass sie ihren Job verlieren. Doch der Großangriff auf die Ukraine wirkt sich auch auf Russlands Arbeitsmarkt aus, meint ein politischer Stratege gegenüber "Meduza". Laut ihm hat dieses "Mobilisierungsprogramm" früher gut funktioniert, weil die Menschen ihren Arbeitsplatz nicht verlieren wollten.

Doch jetzt herrsche ein Arbeitskräftemangel in Russland, "also wird niemand entlassen, wenn sie sich weigern, wählen zu gehen", sagt die Quelle. Laut Expertenstimmen zahlt das Land einen gigantischen Blutzoll für den Angriffskrieg in der Ukraine. Doch Russland hütet die Zahlen der eigenen Opfer wie ein Staatsgeheimnis.

Wladimir Putin hat kein Problem damit, immer mehr junge Männer an die Front zu schicken.

Nach Angaben des US-Geheimdienstes sind auf russischer Seite mindestens 315.000 Soldaten getötet oder verletzt worden. Das sagte im Dezember ein Insider der Nachrichtenagentur "Reuters" unter Berufung auf einen US-Geheimdienstbericht.