Vor dem Sport dehnen? Sportmediziner räumt mit Irrtümern auf Ob Fußballspielen, Joggen oder Schwimmen: Bevor wir Sport treiben, sollten wir unsere Muskulatur aufwärmen. Aber beinhaltet das auch ausgiebiges Dehnen? Ein Sportmediziner räumt mit Irrtümern auf und erklärt, was Stretching überhaupt nutzt.

Ausgiebig dehnen vor dem Sport: Lange kursierte diese alte Regel. (Symbolbild) (© Getty Images/Nastasic)

Ob Fußballspielen, Joggen oder Schwimmen: Bevor wir Sport treiben, sollten wir unsere Muskulatur aufwärmen. Aber beinhaltet das auch ausgiebiges Dehnen? Ein Sportmediziner räumt mit Irrtümern auf und erklärt, was Stretching überhaupt nutzt.

Die Tage werden länger, die Temperaturen steigen – und damit werden unter anderem auch Jogger wieder aktiv, die sich in der kalten Jahreszeit lieber im Fitnessstudio aufgehalten oder anderweitig beschäftigt haben.

Doch bevor esmit der Laufrunde oder anderen Sportarten losgeht, steht die Frage im Raum: Muss ich mich eigentlich aufwärmen? Und wann sollte ich mich dehnen?

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Aufwärmen vor dem Sport, Dehnen – wenn überhaupt – nach dem Sport

Dass man sich erst einmal dehnen sollte, trifft nur auf wenige Sportarten zu, bei denen Beweglichkeit essenziell ist. Dazu zählt etwa Ballett. Bei anderen Sportarten wie Laufen, Fahrradfahren oder Fußball nutzt Dehnen wenig bis nichts.

Wer etwa meint, durch Dehnen vor dem Joggen sein Verletzungsrisiko minimieren zu können, liegt falsch. Laut Ingo Tusk, Vizepräsident der Deutschen Sportärzte (DGSP), ist Dehnen nämlich nicht verletzungspräventiv. "Es gibt zwar Studien, die eine leichte Tendenz zeigen, dass eventuell beim Laufen und Sprinten Muskelverletzungen durch vorheriges Dehnen etwas zurückgehen können. Aber ansonsten bringt Dehnen - was Verletzungsprävention angeht - gar nichts", erklärt der Mediziner im Gespräch mit unserer Redaktion.

Dehnen sei im Leistungssport vor dem Sport bei einigen Disziplinen sogar kontraindiziert. "Sprinter zum Beispiel dehnen sich nie vorher, denn damit setzen sie ihre Leistungsfähigkeit um etwa fünf Prozent herab", berichtet Tusk. Läufer könnten durch Dehnen ihre Schrittlänge zwar minimal erweitern, "aber grundsätzlich lässt sich sagen: Dehnen nutzt gesundheitlich nichts, tut uns aber gut."

Statt Dehnen empfiehlt Tusk Sportlerinnen und Sportlern, sich aufzuwärmen: "Aufwärmen heißt, dass man seinen Körper langsam hochfährt. Ein Beispiel: Wenn man Fußball spielt, sollte man vorher erst ein paar Runden laufen, damit sich die Muskulatur aufwärmt." Auch Übungen wie Ausfallschritte, Kreisen oder Schwingen der Beine sind sinnvoll.

Nach dem eigentlichen Sport - also zum Beispiel nach der Laufrunde - sollte man nicht gleich das Training beenden. Denn: "Sich nach dem Sport auszulaufen, ist wichtig, weil dadurch unser System herunterfährt und sich die Muskulatur wieder entspannt", rät Tusk. Dann kommt auch das Dehnen ins Spiel – es kann dem Körper guttun. Eine Pflicht ist Dehnen nach dem Sport aber nicht. Grundsätzlich meint Tusk: "Die Psyche spielt beim Sport auch immer eine Rolle. Deshalb gilt: Das machen, was einem guttut."

Dehnen ist nicht gleich Dehnen

Grundsätzlich wird zwischen zwei Arten von Dehnen unterschieden: dem statischen und dem dynamischen. Dynamisches Dehnen beinhaltet laut der Deutschen Sportakademie aktive Bewegungen, die den Muskel und das Bindegewebe durch den gesamten Bewegungsbereich führen. "Das sind dann etwa kreisende Arme", erläutert Tusk.

Anders funktioniert statisches Dehnen: Dabei werden die Dehnpositionen gehalten. Zum Beispiel geht man in Schrittposition und neigt seinen Oberkörper nach vorne. Dann wird diese Position gehalten, wobei die hintere Kette am Bein gedehnt wird. In der Regel werden die Positionen zwischen 15 und 60 Sekunden gehalten. Beim Dehnen müssen sich Sporttreibende aber nicht für eine der beiden Arten entscheiden. Sind Elemente beider Techniken enthalten, kann das sogar die Vorteile maximieren. Je nach Sportart werden verschiedene Dehn-Methoden empfohlen. Deshalb halten Sporttreibende am besten mit Trainern und Trainerinnen Absprache.

Beugt Dehnen Muskelkater vor?

  • "Ausgiebiges Dehnen beugt Muskelkater leider nicht vor. Das ist ein Gerücht", sagt Tusk. Denn Muskelkater entstehe durch kleine Verletzungen innerhalb der Muskelfaser als eine Reaktion auf zu hohe Belastung. "Das ist unangenehm, aber zum Glück weder gefährlich noch ungesund."
  • Auch verschwindet ein Muskelkater nicht schneller, wenn man die betroffenen Stellen dehnt. "Es fühlt sich womöglich gut an, hilft aber nicht", erklärt der Experte.

Grundsätzlich gilt für alle, die im Frühjahr nun wieder sportlich durchstarten wollen: Langsam starten, dann steigern. Die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention – Deutscher Sportärztebund (DGSP) rät zu drei bis vier Einheiten in der Woche für 30 bis 40 Minuten. Und: Aufwärmen nicht vergessen.

Über den Gesprächspartner

  • Dr. med. Ingo Tusk ist Chefarzt der Klinik für Sportorthopädie und Endoprothetik der Frankfurter Rotkreuz-Kliniken e.V. Außerdem fungiert er als Vizepräsident der Deutschen Sportärzte (DGSP).

Verwendete Quellen