Krieg in Nahost: Das sind die Hauptakteure bei den Columbia-Protesten

Die Protestcamps an den Elite-Unis der USA sorgen weltweit für Aufsehen.

Die Bilder von nordamerikanischen Elite-Unis, auf deren Campi Protestcamps von der Polizei geräumt werden, gehen um die Welt. Zahlreiche Videos mit wütenden Protestierenden schwemmen Social Media. Nachrichten über jüdische Mitstudierende, die sich nicht mehr in die Uni trauen. Ein Rabbi, der warnt.

Im Mittelpunkt der Proteste steht die New Yorker Columbia Uni – eine der renommiertesten Hochschulen der Welt. Einigen der Protestierenden wird Antisemitismus und die Verharmlosung der islamistischen Hamas vorgeworfen, die dem Staat Israel das Existenzrecht abspricht.

Wer steht sich an der Columbia-Uni gegenüber? Watson listet für euch die Schlüssel-Akteur:innen auf.

Antizionistische studentische Gruppen

Die Proteste an der Columbia wurden laut "Reuters" unter anderem von der Columbia University Apartheid Divest (CUAD) organisiert. CUAD bezeichnet sich selbst als eine Koalition von über 100 studentischen Gruppen. Die Koalition wurde bereits 2016 ins Leben gerufen. Das Ziel: die Columbia davon abbringen, in Waffenhersteller und andere Unternehmen zu investieren, die "Israels Besetzung der palästinensischen Gebiete unterstützen".

Mit dem Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober – und dem Beginn des dadurch ausbrechenden neuen Nahost-Krieges, hatten Studierende diese Koalition erneut reaktiviert. Darunter auch jüdische, muslimische und palästinensische Mitglieder.

Wegen der breiten Streuung innerhalb der demonstrierenden Studierendenschaft wurden sowohl jüdische als auch muslimische Gottesdienste organisiert.In vielen Reden wird zudem Zionismus verurteilt, aber der bewaffnete Widerstand von Palästinenser:innen gelobt.

Zu den führenden Studierendengruppen innerhalb der Koalition gehören die Columbia-Sektionen von Jewish Voice for Peace und Students for Justice in Palestine. Beide antizionistischen Gruppen haben Ortsgruppen in den gesamten USA – und spielen so wohl eine wichtige Rolle bei den landesweiten Protesten. Die Columbia-University hat beide Gruppierungen bereits im vergangenen Herbst suspendiert, sie hätten gegen Veranstaltungsregeln der Uni verstoßen. Die Gruppen klagen deshalb gegen die Hochschule.

Meldung

Columbia-Präsidentin muss vor US-Ausschuss aussagen

Nemat Minouche Shafik, die Präsidentin der Columbia University, musste wegen der Ausschreitungen auf ihrem Campus bereits Mitte April vor dem Ausschuss des Repräsentantenhauses für Bildung und Arbeitskräfte aussagen. Dabei ging es um den Vorwurf, dass es auf dem Campus der Columbia zu antisemitischem Verhalten oder Aussagen gekommen sei.

Shafik sagte laut "Reuters": "Es ist erschütternd, dass einige in unserer Gemeinschaft in einer Weise gehandelt haben, die mit unseren Werten unvereinbar ist."

Sie war es, die daraufhin die New Yorker Polizei rief und ihr erlaubte, die Protestlager auf dem Campus zu räumen. Der Großeinsatz am 18. April führte nicht nur zu Empörung und mehr Protest vor Ort, sondern gab letztlich den Anstoß für Demonstrationen und den Aufbau weiterer Zeltlager an Hochschulen im ganzen Land.

Eine pro-palästinensische US-Gruppe reichte wegen ihres Vorgehens eine Bürgerrechtsklage gegen die Universität ein.

Demos beschäftigen US-Ausschuss mehrfach

Mindestens viermal beschäftigte sich Ausschuss für Bildung und Arbeitskräfte des Repräsentantenhauses sich mittlerweile mit den landesweiten Studierenden-Demos. Die Präsidentin der Harvard University und die Präsidentin der University of Pennsylvania sind mittlerweile zurückgetreten, nachdem sie in diesem Ausschuss für ihre Aussagen kritisiert worden waren.

Konkret hatten sich Claudine Gay (Harvard) und Liz Magill (Pennsylvania) geweigert, auf die Frage der Republikanerin Elise Stefanik mit "Ja" oder "Nein" zu antworten. Stefanik wollte wissen, ob der Aufruf zum Völkermord an den Juden gegen die Verhaltenskodizes ihrer Schulen in Bezug auf Mobbing und Belästigung verstoße. Die Ex-Uni-Präsidentinnen verwiesen auf den Schutz der Meinungsfreiheit – es müsse gegeneinander abgewogen werden.

Die Vorsitzende des Gremiums, Virginia Foxx, stellte der Columbia University nach einem Besuch ebenfalls ein vernichtendes Urteil aus: Die Hochschule befinde sich im freien Fall.

Protest ist für Unis ein Drahtseilakt

Der Diskurs hat in einem Land mit einer jüdischen Bevölkerung von geschätzt rund 7,5 Millionen Menschen Nuancen: Auch unter den Demonstrierenden gibt es jüdische Studierende und Lehrende mit einer kritischen Haltung gegenüber der israelischen Regierung.

Für die Universitäten stellt die Situation einen Drahtseilakt dar: Einerseits muss die Sicherheit auf dem Campus, andererseits das Recht auf Meinungsfreiheit garantiert werden.

Andere Universitätsleitungen haben seitdem ebenfalls um Unterstützung der Polizei gebeten. Das immense Polizeiaufgebot an vielen Hochschulen empfinden Kritiker:innen als unverhältnismäßig. So seien auch Menschen festgenommen worden, die zuvor friedlich demonstriert hätten. Manche Betroffene klagten außerdem über brutales Vorgehen der Beamten.

Aufstände werden für Wahlkampf genutzt

Von außen angeheizt wird die Situation jetzt von radikaleren Stimmen, die im US-Wahlkampf eine Chance wittern, politisch Kapital daraus zu schlagen. Den Vorschlag einiger stramm rechter Republikaner, die Nationalgarde an die betroffenen Universitäten zu schicken, wies der demokratische Senator Tim Kaine am Sonntag zurück – solche Maßnahmen könnten ein schlimmes Ende nehmen, warnte er.

Der republikanische Minderheitsführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, warf die Frage auf, warum sich nicht alle für eine gesittete Diskussion an einen Tisch setzen, "anstatt zu versuchen, das Gespräch zu dominieren".

Auch Bernie Sanders, parteiloser Senator und entschiedener Gegner von US-Militärhilfen für Israel, meldete sich zu Wort. Er sei selbst Jude und Antisemitismus müsse genauso verurteilt werden wie Islamophobie und alle anderen Formen des Hasses.

US-Politiker Bernie Sanders fordert differenzierte Betrachtung.

Aber das Vorgehen der israelischen Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sei angesichts der verheerenden Folgen für die palästinensische Zivilbevölkerung im Gazastreifen inakzeptabel. Ob es sich um Völkermord handele, was viele Demonstrierende bereits als erwiesen sehen, müsse der Internationale Strafgerichtshof klären.

(Mit Material der dpa)