Nato-Übung in Rostock: Bundeswehr trainiert für den Ernstfall

"Steadfast Defender"

Wie Deutschland in Rostock zum Nato-Manöver beiträgt

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (Archivbild): Deutschland ist für die Bündnisverteidigung eine Rolle als Drehkreuz zugedacht, über das ein Truppenaufmarsch der Verbündeten laufen soll. (Quelle: Christoph Hardt/imago-images-bilder)

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (Archivbild): Deutschland ist für die Bündnisverteidigung eine Rolle als Drehkreuz zugedacht, über das ein Truppenaufmarsch der Verbündeten laufen soll. (Quelle: Christoph Hardt/imago-images-bilder)

In Rostock trainieren am Freitag über 360 Männer und Frauen der Bundeswehr den Ernstfall. Im Nato-Manöver "Steadfast Defender" kommt Deutschland eine besondere Rolle zu.

Russlands Krieg in der Ukraine hat das Sicherheitsverständnis in Europa maßgeblich beeinflusst. Die Nato wird wieder aktiv, Russland ist zur Gefahr geworden, und so übt die Bundeswehr an diesem Freitag die Sicherung des Seehafens in Rostock. Die Übung "National Guardian" ist Teil des Nato-Großmanövers "Steadfast Defender".

Das derzeit laufende Großmanöver ist eine Warnung an Putin, aber gleichzeitig auch eine Selbstvergewisserung für die Nato. Denn die Übung soll zeigen, dass das westliche Bündnis jedes Mitgliedsland verteidigen kann.

t-online beantwortet die wichtigsten Fragen zur Bundeswehrübung und zum Nato-Manöver:

Was ist "Steadfast Defender"?

Bei dem Großmanöver "Steadfast Defender" ("Standhafter Verteidiger") trainieren Streitkräfte Alarmierung, Verlegung an die Außengrenzen der Nato im Nordosten und Südosten sowie das Gefecht. Für diese größte Nato-Übung seit dem Kalten Krieg werden im Verteidigungsbündnis insgesamt rund 90.000 Soldaten mobilisiert. Aus der Bundeswehr sind über 12.000 Männer und Frauen sowie 3.000 Fahrzeuge daran beteiligt.

Russland wird in dem Nato-Strategiepapier nicht namentlich erwähnt. Doch bei "Steadfast Defender" wird das Szenario eines russischen Angriffs auf unterschiedliche Nato-Mitglieder durchgespielt, wie t-online zu Beginn des Jahres aus Sicherheitskreisen erfuhr. Es geht also um den sogenannten Bündnisfall nach Artikel 5 des Nato-Vertrages, in dem Soldaten und militärisches Gerät möglichst schnell in Richtung Osten verlegt werden müssen. Der Artikel regelt die Beistandsverpflichtung in der Allianz und besagt, dass ein bewaffneter Angriff gegen einen oder mehrere Alliierte als ein Angriff gegen alle angesehen wird. Die Nato probt also ihre Reaktionsfähigkeit, es ist keine Angriffsübung.

Wo findet das Nato-Manöver statt?

Viele europäische Nato-Staaten sind von der Verlegeübung betroffen, da die Logistikketten vom Westen in den Norden oder nach Osten gehen. Dabei hat die Nato unterschiedliche neuralgische Punkte gewählt, an denen ein russischer Angriff stattfinden könnte. Deswegen geht es bei "Steadfast Defender" vor allem darum, Bodentruppen erst nach Norwegen und im Laufe der Monate nach Rumänien und ins Baltikum zu transportieren. Und das möglichst schnell.

Deutsche Soldaten trainieren bei einer Nato-Übung in Sachsen. (Quelle: NATO)

Deutsche Soldaten trainieren bei einer Nato-Übung in Sachsen. (Quelle: NATO)

Deutschland wird dabei zur Drehscheibe für nationale und internationale Kräfte, für Panzer und anderes militärisches Gerät. "Aufgrund des Umfanges wird die Übung in Europa und insbesondere in der deutschen Öffentlichkeit für alle Bürgerinnen und Bürger sichtbar sein", schrieb die Bundeswehr bereits im November des vergangenen Jahres auf ihrer Homepage.

Ende April begann dann die "sichtbare Hochphase" des deutschen Beitrags zum Nato-Manöver. Bundeswehr-Generalinspekteur Carsten Breuer erklärte dazu: "In den kommenden Wochen werden wir der Bevölkerung einiges zumuten", kündigte er an. Die Militärübung habe "Auswirkungen auf den Alltag". Er bat darum, Kolonnen auf den Autobahnen möglichst Vorrang zu gewähren.

Wer nimmt an "Steadfast Defender" teil?

An der viermonatigen Übung beteiligen sich alle 32 Bündnisländer. Laut Nato-Angaben nehmen neben den 90.000 Soldaten 50 Marineschiffe, 80 Flugzeuge und über 1.100 Kampffahrzeuge daran teil.

Die Bundeswehr stellt dabei einen großen Teil: Bis Ende Mai sind mehr als 12.000 deutsche Soldaten im Einsatz. Ab Mitte Mai wird beispielsweise die 10. Panzerdivision auf verschiedenen Wegen Soldaten mit Gefechtsfahrzeugen nach Litauen verlegen. Es ist damit die größte Übung deutscher Landstreitkräfte seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine.

Generalinspekteur Carsten Breuer: "Nur was geübt wird, klappt im Ernstfall!" (Quelle: Kay Nietfeld/dpa/dpa)

Generalinspekteur Carsten Breuer: "Nur was geübt wird, klappt im Ernstfall!" (Quelle: Kay Nietfeld/dpa/dpa)

Es ist laut Breuer das erste Mal, dass Deutschland Dreh- und Angelpunkt für die Verteidigung Europas sei. Weiter erklärte er: "Die Verlegung von Truppen ist militärisches Kerngeschäft. Jeder Handgriff muss sitzen. Nur was geübt wird, klappt im Ernstfall!" In den kommenden Jahren werde die Bundeswehr mehr und mehr Großübungen mit den Alliierten auch in Deutschland durchführen.

Was passiert in Rostock?

Bei der Übung "National Guardian" im Seehafen Rostock trainiert die Truppe einen Ausschnitt aus dem Operationsplan Deutschland, insbesondere Verladung und Verlegung der aktiven Truppe. Dabei werden Teile der 10. Panzerdivision auf ein Roll-on-Roll-off-Schiff geladen und damit nach Klaipeda in Litauen eingeschifft.

"Das konkrete Szenario sieht so aus, dass es eine große Truppenzusammenziehung an der Nato-Ostflanke gegeben hat. Russland hat zu Manövern aufgerufen, die ein Potenzial haben, tatsächlich das Nato-Territorium zu bedrohen", sagte André Bodemann, Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos (TFK), der damit die Rahmenbedingungen des Manövers benannte. Die Nato habe sich in diesem Übungsszenario entschieden, große Teile ihrer Truppen über die logistische Drehscheibe Deutschland zur Abschreckung an die Ostflanke zu verlegen.

Generalleutnant André Bodemann (Archivbild): Laut dem Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr muss es in Zukunft immer wieder Übungen wie die im Seehafen Rostock geben. (Quelle: Carsten Koall/dpa)

Generalleutnant André Bodemann (Archivbild): Laut dem Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr muss es in Zukunft immer wieder Übungen wie die im Seehafen Rostock geben. (Quelle: Carsten Koall/dpa)

Heimatschutzkräfte der Bundeswehr trainieren dazu im Seehafen Rostock den Schutz verteidigungswichtiger Infrastruktur – dazu gehören See- und Flughäfen, Munitions- und Materiallager, Verladebahnhöfe oder Umschlagpunkte der Truppe – gegen Angriffe oder Sabotage.

Geplant war am Freitag eine Beteiligung von mehr als 360 Männern und Frauen der Bundeswehr in Rostock, darunter auch Reserve-Einsatzkräfte der Marine sowie mehr als 100 weitere Soldaten wie Feldjäger, die Kampfmittelabwehr, Sanität und Kräfte eines Flugabwehrraketengeschwaders. Die Luftwaffe ist mit dem Flugabwehrraketensystem Patriot beteiligt, die Marine mit dem Überflug eines Rettungshubschraubers und die Bundespolizei See mit einem Schnellboot.

Was nützt eine solche Übung?

Die Bundeswehr erwartet von der Militärübung Erkenntnisse für den neuen Verteidigungsplan. Solche Übungen müsse es in Zukunft immer wieder und auch in größerem Umfang geben, "um festzustellen, was noch verändert werden muss, wo die Truppe etwas anders tun muss, wo wir vielleicht den Plan verändern müssen", sagte Bodemann.

Eine Annahme ist, dass größere Teile der Bundeswehr im Verteidigungsfall nicht mehr in Deutschland sein werden, sondern an der Front kämpfen müssen. Reservisten und die neuen Heimatschutzregimenter sollen dann militärische Schutzaufgaben in Deutschland übernehmen – und von den Polizeibehörden und anderen Institutionen unterstützt werden. Auch dazu wurde der Operationsplan Deutschland (Oplan) ausgearbeitet.

"Wir haben uns sehr viel theoretische Gedanken gemacht und haben das auf dem Papier auch durchgespielt und werden das weiterhin auch mit einem großen Stresstest des Operationsplans Deutschland im Herbst tun. Man muss das auch praktisch üben, und genau das tun wir hier in Ausschnitten", sagte Bodemann.

Verwendete Quellen: