Massenflucht aus Rafah steht offenbar bevor

Durch die israelische Luft- und Bodenoffensive im Gazastreifen vertriebene Palästinenser kommen in einem provisorischen Zeltlager westlich von Rafah an. 10. Mai 2024 ©Abdel Kareem Hana/Copyright 2024 The AP. All rights reserved.

In Rafah steht offenbar ein Massenexodus bevor. Die Menschen packen ihre verbliebenen Habseligkeiten zusammen, und bereiten sich darauf vor, vor den israelischen Truppen zu fliehen.

Etwa 110.000 Menschen sind bereits aus der Stadt im Süden des Gazastreifens geflohen. Schwere Kämpfe zwischen israelischen Truppen und palästinensischen Kämpfern am Rande der Stadt schneiden die Übergänge für humanitäre Hilfe ab. Die Lebensmittel- und Treibstoffvorräte gingen zur Neige gehen, sagte ein Vertreter der UN.

Israels Pläne für eine Offensive in Rafah scheinen vorerst auf Eis zu liegen, nachdem die Vereinigten Staaten entschieden dagegen sind und den Druck durch die Drohung, Waffenlieferungen einzustellen, erhöht haben.

Aber selbst der begrenztere Einmarsch Anfang dieser Woche droht die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen noch weiter zu verschlimmern.

„Wir müssen fliehen, wir wissen aber nicht, wohin wir gehen sollen“, sagte Hazem Abdeen, ein Anwohner.

Ein anderer Bewohner, Raed al-Fayomi, sagte, er habe nachts wegen der Kampfgeräusche in der Nähe nicht schlafen können: „Die Situation ist sehr, sehr gefährlich. Es sind keine Menschen auf der Straße und die Lebensmittel sind knapp. Es gibt weder Nahrung noch Wasser.“

Über eine Million Palästinenser sind nach Rafah geflohen, um den Kämpfen anderswo zu entgehen. Viele von ihnen sind in UN-Unterkünften oder heruntergekommenen Zeltlagern untergebracht.

Die Stadt an der Grenze zu Ägypten ist auch ein wichtiger Umschlagplatz für den Transport von Nahrungsmitteln, Medikamenten, Treibstoff und anderen Gütern.

Das UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA), sagt, dass etwa 110.000 Menschen aus Rafah geflohen sind und dass die Nahrungsmittel- und Treibstoffvorräte in der Stadt kritisch niedrig sind.

US-Bericht: Israel verletzt humanitäres Völkerrecht

In Washington erklärte der leitende Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, am Freitag, dass Präsident Biden „vollständig informiert“ sei über die Ergebnisse eines Berichts über den Einsatz von US-Waffen durch Israel.

Ein Bericht der Biden-Regierung an den Kongress,kommt nicht zu dem Schluss, dass Israel gegen die Bedingungen für den Einsatz von US-Waffen verstoßen hat.

Nach Ansicht der US-Regierung verstößt zwar Israels Einsatz der von den USA bereitgestellten Waffen in Gaza wahrscheinlich gegen das humanitäre Völkerrecht, die Kriegsbedingungen hinderten die USA jedoch daran, dies bei bestimmten Luftangriffen mit Sicherheit festzustellen.

Die Feststellung, es gebe „begründete“ Hinweise dafür, dass der Verbündete der USA bei der Art und Weise, wie er seinen Krieg gegen die Hamas führte, gegen internationales Recht zum Schutz der Zivilbevölkerung verstoßen hat, ist die stärkste Aussage, die die Biden-Regierung in dieser Angelegenheit bisher abgegeben hat. Sie findet sich in der Zusammenfassung eines Berichts, der am Freitag dem Kongress vorgelegt wurde.

Aber der Vorbehalt, dass die Regierung nicht in der Lage war, bestimmte US-Waffen mit einzelnen Angriffen israelischer Streitkräfte in Gaza in Verbindung zu bringen, könnte der Regierung Spielraum bei künftigen Entscheidungen darüber geben, ob die Lieferung von Angriffswaffen an Israel eingeschränkt werden soll.

Diese erste Einschätzung, die von Präsident Joe Bidens demokratischen Kollegen im Kongress erzwungen wurde, erfolgt nach sieben Monaten Luftangriffen, Bodenkämpfen und Hilfsbeschränkungen, die fast 35.000 Palästinensern, hauptsächlich Frauen und Kinder, das Leben gekostet haben.

Biden hat versucht, bei seiner Unterstützung des Krieges gegen die Hamas eine immer restriktivere Linie zu verfolgen. Im In- und Ausland stößt er auf wachsenden Unmut über die steigende Zahl palästinensischer Todesopfer und die Hungersnot, die zu einem großen Teil durch israelische Beschränkungen des Transports von Nahrungsmitteln und Hilfsgütern nach Gaza verursacht wird.

Die Spannungen zwischen den USA und Israel haben sich in den letzten Wochen durch das Versprechen des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, die Offensive des israelischen Militärs in der überfüllten Stadt Rafah im Süden auszuweiten - trotz Bidens hartnäckigem Widerstand - weiter verschärft.

USA verlangen Schutz der Zivilbevölkerung

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin erklärte, die USA wollten von Israel, dass „Zivilisten, die sich im Kampfgebiet befinden, aus der Gefahrenzone gebracht werden“, während das israelische Militär seine Operationen durchführt.

Bei einem Besuch in Fort Jackson in South Carolina betonte Austin, es sei möglich, „wirksame Operationen durchzuführen und Zivilisten zu schützen“.

„Bisher gab es viel zu viele zivile Opfer. Wir würden uns wünschen, dass sich dieser Trend ändert. Das ist also wirklich unser Fokus“, erklärte Austin.

Die USA haben Israel in der Vergangenheit enorme Mengen an Militärhilfe geleistet.

Dies hat sich nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober, bei dem etwa 1.200 Menschen in Israel getötet und etwa 250 von den Hamaskämpfern gefangen genommen wurden, noch verstärkt.

Völkerrechtliche Anerkennung Palästinas

Die UN-Vollversammlung hat nach dem US-Veto im Weltsicherheitsrat gegen eine Vollmitgliedschaft des Staates Palästina, mit großer Mehrheit eine Resolution angenommen, die der palästinensischen Delegation ermöglich, sich in der UN-Vollversammlung ähnlich wie normale Mitglieder zu verhalten, ihr aber kein Stimmrecht gewährt.

Neun der 27 EU-Mitgliedstaaten erkennen derzeit das Recht der Palästinenser auf einen Staat entlang der sogenannten „Grenzen von 1967“ an, zu denen das israelisch besetzte Westjordanland, der Gazastreifen und das völkerrechtswidrig von Israel annektierte Ostjerusalem gehören.

Die spanische Regierung hat offenbar prinzipiell eine völkerrechtliche Anerkennung Palästinas beschlossen. Diese solle am 21. Mai bekanntgegeben werden, verlautet aus gutunterrichteten Kreisen. Der Termin wurde in Absprache mit Irland gewählt, um den Schritt aus dem Wahlkampf für die Europawahlen herauszuhalten. Spanien hat den Europawahlkampf offiziell auf den Zeitraum vom 23. Mai bis zum Wahltag am 9. Juni festgelegt.

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