Klimakrise: ZDF-Wetter-Moderator Özden Terli im Interview

ZDF-Wettermoderator Özden Terli

"Wer die Klimakrise nicht verstanden hat, will es gar nicht"

Özden Terli: Der ZDF-Wetterexperte warnt eindringlich vor der Klimakrise. (Quelle: IMAGO/Thomas Lohnes/imago)

Özden Terli: Der ZDF-Wetterexperte warnt eindringlich vor der Klimakrise. (Quelle: IMAGO/Thomas Lohnes/imago)

Seit Monaten werden immer neue Temperaturrekorde vermeldet. ZDF-Wettermoderator Özden Terli hat aber nicht nur mit den Klimafolgen, sondern auch im Wissenschaftsleugnern zu tun.

Ein Hitzerekord jagt den nächsten – so auch im April 2024: Er war der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Damit ist er der elfte historische Monat in Folge. Für ZDF-Wettermoderator Özden Terli war das zu erwarten.

Der Meteorologe warnt sowohl im Fernsehen als auch in den sozialen Medien vor den Folgen der Klimakrise. Im t-online-Interview erklärt er, wie die aktuelle Lage in der Klimakrise ist, welche Folgen drohen und was die Medien besser machen können.

t-online: Herr Terli, ein Temperaturrekord jagt derzeit den nächsten. Wie schlimm ist die aktuelle Lage?

Özden Terli: Wir erleben das, was zu erwarten war und ist. In einer Welt, die sich immer weiter aufheizt, nehmen die Extreme zu. Das liegt in der Natur der Sache. Wir beobachten den tendenziellen Anstieg der globalen Mitteltemperatur, aber auch den Anstieg der Temperaturen in den Regionen, die immer wieder neue Höchststände erreichen. Übrigens: Europa ist der Kontinent, der sich am schnellsten aufheizt.

Messdaten von Satelliten oder von Bodenstationen, von Ballonaufstiegen – also Radiosonden – zeigen klar, was passiert. Was eindeutig zu erkennen ist: Es wird immer wärmer. Mehr Wärme bedeutet, das System muss diese Wärme umsetzen, und das tut es in Extremwetterereignissen. Die Tendenz zeigt nach oben, und das ist tatsächlich schlimm, so wie sie es fragen – denn weder Pflanzen, Tiere noch wir Menschen können sich dauerhaft an diese rasante Veränderung anpassen.

Zur Person

Özden Terli ist seit 2013 Redakteur und Moderator in der Wetterredaktion des ZDF. Zuvor studierte er Meteorologie in Berlin. 2021 wurde er mit dem Umweltmedienpreis der Deutschen Umwelthilfe in der Kategorie "Fernsehen und Online" ausgezeichnet.

Özden Terli: Der ZDF-Wetterexperte sagt große Regenmengen zum Wochenbeginn voraus. (Quelle: ZDF/Torsten Silz)

Özden Terli: Der ZDF-Wetterexperte sagt große Regenmengen zum Wochenbeginn voraus. (Quelle: ZDF/Torsten Silz)

Welche konkreten Auswirkungen haben die hohen Temperaturen in Deutschland?

Es ist unter anderem ein gravierendes Gesundheitsproblem. Denn Menschen können schlecht mit zu viel Hitze umgehen. Besonders Ältere, Vorerkrankte oder kleine Kinder leiden darunter. Aber auch Menschen, die draußen arbeiten müssen. Das ist ein weltweites Problem. Außerdem hält sich das Wetter nicht an Landesgrenzen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

So wirken sich Veränderungen zum Beispiel auf dem Atlantik auch bei uns aus. Ist die Oberflächentemperatur höher, wie es übrigens seit März letzten Jahres der Fall ist, also fast durchgehend auf Dauerrekord, so verdunstet auch mehr Wasser. Diese Feuchtigkeit wird zu uns transportiert, und so sind die Regenmengen größer.

Bei Gewittern spielt noch die latente Wärme eine Rolle, die erst in Aktion kommt, wenn sich Wolken bilden und zusätzlich die Entwicklung eines Gewitters verstärken. So gibt es also direkte Effekte von steigenden Temperaturen, auch woanders, die sich bei uns negativ bemerkbar machen. Die Überflutungen Ende 2023 sind auf zu warme Meere zurückzuführen. Aber ganze Strömungssysteme in der Atmosphäre verändern sich weltweit, das wird alles noch zu einem Riesenproblem, nicht erst in ferner Zukunft, sondern bereits in der Gegenwart.

In den vergangenen Jahren waren nicht nur Fluten, sondern auch die Trockenheit ein Problem. Wie steht es um den Dürrefaktor?

Derzeit ist Dürre kein großes Thema, aber dass sich über Monate Dürren ausweiten können – diese Gefahr gibt es selbstverständlich weiterhin und ist ein gewaltiges Problem für die Landwirtschaft in Deutschland und schon seit Längerem in Spanien. Stichwort Olivenöl! Auch Dürren im Mittelmeerraum sind exakt das, was zu erwarten ist, in einer Welt, die immer wärmer wird.

In Ihrer Berichterstattung legen Sie immer Wert darauf, auch über das Klima zu sprechen. Glauben Sie, dass Sie so Leute vom Kampf gegen die Klimakrise überzeugen konnten?

In erster Linie ist es meine Aufgabe als Meteorologe und Journalist, diese Zusammenhänge aufzuzeigen und einzuordnen. Ich weiß nicht, ob jemand überzeugt werden muss; wer es bisher nicht verstanden hat, will es wahrscheinlich gar nicht verstehen. Wir leben in einem veränderten Klima – von uns veränderten Klima, damit das noch mal ganz klar ist. Die Atmosphäre ist nicht mehr die gleiche wie vor 40 Jahren, oder noch gravierender: im Vergleich zur vorindustriellen Zeit.

Ist es nicht selbstverständlich, dass wir die physikalische Realität, die nun mal anders ist als früher, auch entsprechend abbilden? Ist es nicht so, dass wir etwas weglassen, wenn wir über Extremwetterereignisse berichten und sie nicht entsprechend einordnen? Ob ich etwas damit erreiche oder nicht, ob es gefällt oder nicht, kann nicht darüber entscheiden, wie ich meine wissenschaftlich fundierte und journalistische Arbeit mache. Es geht nicht darum, Partikularinteressen zu befriedigen. Das sollte aber eigentlich selbstverständlich sein, oder?

Im sozialen Medium X sind sie sehr aktiv. Mitunter äußern Sie sich sehr deutlich und scharf. Warum?

Erst einmal war ich eher wohlwollend unterwegs und wollte den Austausch, vielleicht auch mal zeigen, wie ein Meteorologe arbeitet. Interessante Wetterphänomene zeigen, aber auch vor gefährlichen Wetterlagen warnen und wissenschaftliche Zusammenhänge aufzeigen. Weil es mich einfach persönlich interessiert. Dafür ist doch Social Media da, oder nicht?

In der Idealvorstellung schon. In der Realität ist das häufig anders.

Ja, ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass es Menschen gibt, die mit diesem Ansatz nichts anfangen können. Die Angriffe, oft von Wissenschaftsleugnern, aber auch von Kampagnen-Journalisten, nahmen immer weiter zu – immer mit dem Versuch, meine Arbeit zu diskreditieren. Das war übrigens zwecklos, denn Physik gilt auch für diese Menschen.

Ich wüsste nicht, warum man sich solche Attacken gefallen lassen sollte, ausgerechnet von einer Klientel, die vorgibt, die Klimafakten nicht zu verstehen und damit ihre Leser für dumm verkauft. Scharf, wie Sie sagen, ist übrigens relativ, in diesem Medium geht es noch viel krasser zu – ich stelle Fragen, die können schon mal bohrend sein, und es kann mal sein, dass ich nicht lockerlasse, wenn die Desinformationen besonders dreist, frech und inakzeptabel sind.

Was möchten Sie dadurch erreichen?

Aufzeigen, dass Wissenschaftsleugner niemals recht haben. Die Physik gilt für alle Menschen, und wer dem widerspricht, diskreditiert sich eigentlich automatisch selbst. Dennoch kann man nicht dabei zusehen, wie versucht wird, Fakten weichzukochen. Desinformationen sind wie eine Seuche, übrigens nichts Neues für Klimawissenschaftler, die seit Jahrzehnten angegriffen werden. Ich habe das wie gesagt auch schon mehrfach erlebt, es ist aber zwecklos, die Physik interessiert sich nicht für die Meinung von diesen Leuten.

Sie beschäftigen sich dabei auch viel mit der medialen Begleitung der Klimakrise. Wie blicken Sie auf die Berichterstattung?

Es gibt einiges, was gut läuft, und manches, da kann man nur den Kopf schütteln. Wenn zum Beispiel im Radio selbst bei Dürre und Hitze, die lebensgefährlich ist, noch von "super Sommerwetter" berichtet wird, stellt sich die Frage, ob eigentlich wirklich der Bezug zum Wetter stimmt oder ob es nur darum geht, ob man am Abend grillen kann oder nicht. Wetter kann, muss nicht immer, auch Lebensgefahr bedeuten. Diese Gefahr durch Extremwetterereignisse nimmt zu. Aber wenn fast schon jede Gewitterlage in Unwetter oder extremen Unwettern ausartet, müssen Medien sich auch dessen bewusst sein.

Die Veränderungen, die wir beobachten, sind nicht das Ende der Fahnenstange. Es geht weiter. Es ist kein neuer Zustand, sondern die globale Erhitzung ist ein dynamischer Vorgang, der nicht aufhören wird, solange wir die Kohlendioxid-Emissionen nicht komplett einstellen. Das bedeutet, keine fossilen Energieträger mehr.

Was muss besser gemacht werden?

Generell sollten Journalisten immer genau hinhören, warum jemand gegen Klimaschutz ist. Die Basisfakten sind längst klar, die braucht man nicht mehr infrage zu stellen, jedoch sollte man immer hellhörig und besonders skeptisch hinhören, wenn jemand Klimaschutz nicht ernst nimmt oder sogar die Fakten verharmlost. Klimaschutz ist Menschenschutz. Es geht darum, Leben zu retten und die Lebensgrundlage für uns alle zu sichern. Das ist im Grundgesetz Artikel 20a verankert, das Pariser Abkommen ist unterschrieben und der Europäische Gerichtshof hat es klargestellt: 'Klimaschutz ist Menschenrecht'.

Wie kann besser gegen Desinformation in Bezug auf die Klimakrise agiert werden?

Weiterhin mit Fakten, aber auch mit Emotionen dagegenhalten. Mit Geschichten, die Menschen zugänglich sind, zum Beispiel seien hier die Romane der norwegischen Schriftstellerin Maja Lunde erwähnt. Aber am Ende zählen Fakten. Vor Gerichten zählen Fakten, da wird man mit Desinformationen nichts erreichen. Mittlerweile zeigt es sich weltweit. Konzerne und Regierungen werden von der Zivilgesellschaft verklagt, damit der Klimaschutz überhaupt mal in die Gänge kommt. Wahrscheinlich ist das der einzige Weg, um Geschwindigkeit aufzunehmen, aber wir sind gnadenlos hinterher, die Natur schafft die Fakten, und die Klientel der Klimaschmutzlobby versucht, den Klimaschutz immer noch weiter auszubremsen.

Wer trägt am Ende die Kosten?

Bezahlen müssen wir das alle – jetzt, in der Gegenwart und auch in der Zukunft. Es sei denn, wir versuchen, alle an einem Strang zu ziehen und schaffen gemeinsam eine Transformation in eine nicht-fossile Zukunft, da bin ich mir aber nicht sicher, ob das wirklich gewollt ist. Allerdings dürfen wir den Diskurs nicht der Dauerklimaschutzbremser-Klientel überlassen, es geht um unsere Existenzgrundlage, da kann niemand den Kopf in den Sand stecken. Es geht uns alle an.

Verwendete Quellen:

  • Schriftliches Interview und Telefonat mit Özden Terli