"Lautloser Mörder": Wo gibt es den höchsten Blutdruck in Europa und wie kann man ihn verhindern?

Ein medizinischer Freiwilliger von FRIDA Ukraine prüft den Blutdruck eines Patienten. ©AP Photo/Evgeniy Maloletka

Bluthochdruck, auch Hypertonie genannt, ist eine weit verbreitete Erkrankung, von der schätzungsweise jeder dritte Mensch weltweit betroffen ist, schrieb die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im vergangenen Jahr in ihrem ersten Bericht über das globale Ausmaß von Bluthochdruck.

Laut WHO hat sich die Zahl der Menschen, die unter Bluthochdruck leiden, zwischen 1990 und 2019 weltweit verdoppelt. Derzeit haben rund 1,13 Milliarden Männer und Frauen Bluthochdruck, die Hälfte der Betroffenen wissen nicht einmal, dass sie erkrankt sind. Das sei aber gefährlich: Wenn man Bluthochdruck nicht behandelt, können Herzinfarkt und Schlaganfall die Folgen sein.

"Es ist besorgniserregend, weil es sich um einen potenziell lebensbedrohlichen Zustand handelt, der weitgehend unbemerkt bleibt, weil man bei Bluthochdruck selten irgendwelche Symptome hat", sagte Julie Ward Euronews Health. Als leitende Kardiologie-Krankenschwester bei der British Heart Foundation (BHF) kennt sie die Anzeichen der Erkrankung sehr gut. Beispielsweise könnte man gelegentlich Kopfschmerzen haben, verschwommen sehen oder es könnte einem ein wenig schwindlig sein. Das sei aber normalerweise nur dann der Fall, wenn man bereits sehr hohen Blutdruck hat.

Deshalb steht der 17. Mai bereits seit 2005 für den Welt-Hypertonie-Tag. Damit wollen Mediziner darauf aufmerksam machen, wie man diese Krankheit vorbeugen und mit einer bereits vorhandenen Erkrankung umgehen kann.

Was ist Bluthochdruck?

Von Bluthochdruck spricht man, wenn die Kraft, mit der das Blut gegen die Wände der Blutgefäße drückt, dauerhaft zu hoch ist, schreibt die American Heart Association.

Um festzustellen, ob jemand gerade zu hohen Blutdruck hat, werden zwei Werte gemessen: der systolische und der diastolische Blutdruck. Der systolische Blutdruck misst den Druck in den Arterien beim Herzschlag – also während sich der Herzmuskel zusammenzieht und sauerstoffreiches Blut in die Gefäße pumpt. Das ist die höhere Zahl der zwei Blutdurckwerte. Die niedrigere Zahl beschreibt den diastolischen Blutdruck. Damit wird der Druck auf die Blutgefäße gemessen, wenn der Herzmuskel zwischen zwei Herzschlägen erschlafft.

Laut dem britischen nationaler Gesundheitsdienst National Health Service (NHS) spricht man von Bluthochdruck, wenn diese Werte bei einer Messung in einer Apotheke oder Klinik über 140/90 mmHg liegen. Alles über 120/80 mmHg gilt jedoch als erhöht.

Was sind die Risikofaktoren für Bluthochdruck?

Zu den häufigen Risikofaktoren für Bluthochdruck gehören ein höheres Lebensalter, Familienmitglieder mit Bluthochdruck und Übergewicht. Auch der Lebensstil spielt dabei eine Rolle. Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum, eine zu salzhaltige Ernährung oder zu wenig Bewegung können zu hohen Blutdruck verursachen.

Ricardo Ladeiras Lopes, Kardiologe und Assistenzprofessor an der medizinischen Fakultät der Universität Porto, sagt, dass Stress ein weiterer häufiger Risikofaktor für Bluthochdruck sei. Chronische Krankheiten wie Diabetes und Nierenerkrankungen können das Risiko ebenfalls erhöhen.

Darüber hinaus könnte die Herkunft eines Menschens ebenfalls einen Risikofaktor darstellen. Laut dem National Institute for Health and Care Excellence des Vereinigten Königreichs sind Menschen mit schwarzafrikanischer oder karibischer Abstammung überproportional häufig betroffen.

Welche Gesundheitsprobleme kann Hypertonie verursachen?

Die meisten Menschen mit Bluthochdruck haben keine Symptome, aber der übermäßige Druck auf die Arterien kann Ihre Organe schädigen. "Bluthochdruck ist tatsächlich für fast die Hälfte aller Herzinfarkte und Schlaganfälle im Vereinigten Königreich verantwortlich. Das ist ein wirklich bedeutendes Problem", so Ward.

Ladeiras Lopes, der auch Mitglied der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie ist, sagt ebenfalls, dass Bluthochdruck "ein wichtiger Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, einschließlich Herzinfarkt und Schlaganfall" sei. "Er kann auch zu anderen schwerwiegenden Gesundheitsproblemen führen, wie Nierenversagen, Sehkraftverlust und Herzversagen", erklärt er. Da man jahrelang ohne erkennbare Symptome unter Bluthochdruck leiden kann und eine schwere Erkrankung die Folge sein kann, bezeichnen Ärzte ihn oft als "lautlosen Möder".

Wie viele Menschen in Europa haben hohen Blutdruck?

In der Europäischen Union haben fast ein Viertel der Menschen Bluthochdruck, zeigen die Zahlen von Eurostat, dem statistischen Amt der Europäischen Union.

Die Zahl der Menschen mit Bluthochdruck variiert in den einzelnen EU-Staaten und reicht von 37 Prozent der Bevölkerung in Kroatien bis zu 12 Prozent der Menschen in Irland, wie aus den jüngsten verfügbaren Daten hervorgeht.

Den Daten zufolge ist Kroatien nicht nur am stärksten betroffen, sondern verzeichnete zwischen 2014 und 2019 auch einen starken Anstieg der Zahl der Menschen mit Bluthochdruck.

"Obwohl wir die genauen Gründe für den Anstieg der gemeldeten Bluthochdruckdaten für Kroatien zwischen 2014 und 2019 nicht kennen, ist Bluthochdruck eines der wichtigsten Probleme der öffentlichen Gesundheit in Kroatien", sagt Ana Ivičević Uhernik vom Kroatischen Institut für öffentliche Gesundheit. Sie bezieht sich auf den Anstieg der Bluthochdruckfälle, die im Rahmen der Europäischen Gesundheitsumfrage veröffentlicht wurden.

Die Autoren einer von Ivičević Uhernik geleiteten Studie, die im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde, kamen zum Ergebnis, dass Bluthochdruck in Kroatien sehr verbreitet ist und ein beträchtlicher Anteil der Krankheitsfälle noch nicht diagnostiziert worden sind, auch wenn deren Anteil geringer ausfiel als erwartet. Da die Bevölkerung in Kroatien immer älter und übergewichtiger wird, sei zu erwarten, dass sich dort immer mehr Menschen an Bluthochdruck erkranken, erklärt Ivičević Uhernik.

In Deutschland ist Bluthochdruck ebenfalls die Volkskrankheit Nummer eins. Jeder dritte erwachsene Deutsche hat Bluthochdruck. Insgesamt sind es 20 bis 30 Millionen Menschen. Das entspricht dem weltweiten Durchschnitt.

Wie behandelt und verhindert man Bluthochdruck?

"Es gibt viele Dinge, die man tun kann, und in der Regel hängt es mit dem Lebensstil zusammen", sagt Ward. Sie fügt hinzu, dass es sich um eine Alterskrankheit handele, die man nicht völlig verhindern könne. Jeder, der älter als 65 Jahre ist, kann potenziell Bluthochdruck bekommen.

Lebensstiländerungen wie die Entwöhnung vom Rauchen, weniger Alkohol und Salz im Essen sowie eine gesunde Ernährung mit frischen Lebensmitteln können aber helfen. Studien haben gezeigt, dass eine mediterrane Ernährung, die reich an frischem Gemüse, gesunden Fetten und Fisch ist, das Risiko von Bluthochdruck verringern kann. Außerdem ist es ratsam, sich genug zu bewegen und ein gesundes Gewicht zu halten, so die Experten.

"In unserem hektischen Alltag ist Stressbewältigung sehr wichtig", fügt Ladeiras Lopes hinzu, ebenso wie regelmäßige Besuche beim Arzt, um einen Gesundheits-Check durchzuführen.

Ein Tagebuch kann hilfreich sein

Ward, die auch Fragen der Hotline der British Heart Foundation beantwortet, sagt, dass die Stiftung eine sehr große Anzahl von Anfragen zum Thema "Bluthochdruck" bekommt. Man wolle die Patienten in die Lage versetzen, ihren Bluthochdruck selbst zu Hause im Griff zu halten. Dafür können die Patienten zum Beispiel ein Blutdruckmessgerät anschaffen und ein Tagebuch führen, um zu sehen, wann der Blutdruck steigt.

Des Weiteren kann es hilfreich sein, mit einem Arzt über mögliche Änderungen des Lebensstils zu sprechen. Manchmal sind auch Medikamente erforderlich, damit die Krankheit den Körper nicht beschädigt. Es sei auch sehr wichtig, dass man seine Blutdruckwerte kennt, sagt Ward.

Ladeiras Lopes zufolge handelt es sich um ein weltweites Problem. "Das Alter ist ein Risikofaktor. Es ist auch wichtig, die Verstädterung und die Veränderungen des Lebensstils zu berücksichtigen. Denn sie führen zu weniger körperlicher Aktivität und einem erhöhten Konsum von verarbeiteten Lebensmitteln sowie zu einem höheren Stressniveau", sagt er.

Damit man in Europa mit der Volkskrankheit Nummer eins besser zurecht kommt, will die Europäische Gesellscahft für Kardiologie in diesem Jahr ihre Bluthochdruck-Leitlinien aktualisieren.

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