Cannabis-Social-Club über Hürden vor dem Start: "Spreu vom Weizen trennen"

Zum 1. Juli dürfen die Cannabis-Social-Clubs an den Start gehen – ganz so einfach ist das aber nicht.

Seit mittlerweile nun knapp zwei Monaten dürfen Menschen in Deutschland straffrei Cannabis konsumieren und bis zu drei Pflänzchen zu Hause anbauen. Dass das meiste Gras, das aktuell auf den Straßen der Republik geraucht wird, vom Schwarzmarkt stammen muss, ist aktuell zweitrangig – aber recht wahrscheinlich. Schließlich ist der Anbau erst seit dem 1. April erlaubt.

Wer sich nicht selbst um die Pflänzchen kümmern möchte, hat die Möglichkeit, einem Cannabis-Social-Club (CSC) beizutreten. Ab 1. Juli dürfen diese Anbauvereinigungen loslegen. Doch vor dem späten Herbst – oder womöglich noch später – werden die Mitglieder kein Gras bekommen. Watson hat mit dem CSC Prenzlauerberg-Berlin (CSC-PBB) über die aktuellen Hürden gesprochen.

Sie seien bereit, loszulegen, sagen Felix Merkel und Christoph Polstorff vom CSC-PBB. "Es ist aber die Frage, ob die Berliner Ämter auch bereit sind", räumt Felix ein und macht damit direkt auf das erste Problem aufmerksam. Denn zum 1. Juli müssen die beiden für ihren CSC erst einmal eine Anbaugenehmigung beantragen. Dafür gibt es viele Voraussetzungen zu erfüllen.

Christoph rechnet mit mehreren Schleifen, ehe der CSC-PBB tatsächlich durchstarten kann. Das liegt nicht daran, dass er und Felix ihren Club nicht auf sichere Füße stellen wollen. Das Gegenteil sei der Fall, stellt Felix immer wieder klar. Aber im Gesetz seien nach wie vor Grauzonen vorhanden. Durch diese käme es am Ende auf die Auslegung der Ämter an. Ein Punkt, der für die beiden unerklärlich ist.

"Jetzt wird sich bald die Spreu vom Weizen trennen", sagt Christoph. Er meint damit, dass nicht alle Clubs, die sich aktuell gründen, tatsächlich in den Anbau gehen werden. Denn vieles sei verwirrend und auch er und Felix seien auf die Hilfe von Berater:innen angewiesen. Sie nehmen dafür Geld in die Hand; wollen, dass sie rechtlich abgesichert sind.

Der CSC-PBB hat sich mittlerweile dem Dachverband Cannabis-Anbauvereinigungen-Deutschlands (CAD) angeschlossen. Dieser Verbund kümmert sich um die Belange von Cannabis-Social-Clubs. Eine gute erste Anlaufstelle, meint Felix. Gerade seien sie zusätzlich dabei, gemeinsam mit dem CSC Berlin einen Landesverband zu gründen.

Vereinsstatus bringt Cannabis-Social-Clubs Probleme

Generell sei es nicht sinnvoll, dass die Anbauvereinigungen als Vereine und nicht etwa als GmbHs agieren, merkt Christoph an. Das Problem: Vereine können weder einen Kredit aufnehmen, noch Gebäude anmieten. Beides sei für die Gründung eines CSC aber nötig.

Schließlich muss die Anbauvereinigung irgendwo ihre Anbauflächen und die Ausgabestellen haben: Dafür braucht es Platz. Und dieser Platz kostet Geld. Ebenso wie Strom und Wasser oder die Gerätschaften, die es zum Cannabis-Anbau braucht.

Mit 500.000 Euro rechnen die beiden Berliner Cannabis-Pioniere. Sie haben vor, gemeinsam eine Betreibergesellschaft zu gründen, die die Investitionen des Vereins vorerst finanziert. Mit Krediten, volles Risiko. Am Ende soll es sich rechnen: durch die Mitgliederbeiträge und Abgabepreise.

Cannabis-Freigabe: Clubs müssen penibel sein

"Wir machen das nicht nur aus Selbstschutz", sagt Felix. Denn sie müssten nicht nur an sich denken, wenn sie Entscheidungen treffen, sondern potenziell an bis zu 500 Mitglieder. Deswegen wollen es die beiden besonders genau machen.

So will Felix etwa zwei Feinwaagen an den Abgabestellen haben, um wirklich aufs Milligramm sicherzugehen, nicht zu viel auszugeben. "Wir müssen so penibel sein", merkt er an.

Auch wenn es spießig klingt: Der CSC-PBB will nichts tun, was den gesetzlichen Rahmen im Mindesten sprengen könnte; nichts, was über die Grauzone hinaus schießt. "Wir wollen unsere Mitglieder natürlich nicht gängeln, sondern wir machen das zu ihrem Schutz", sagt er. Das versucht er den Menschen auch über die Instagram-Seite des CSC näherzubringen.

Konsumiert werden darf in den Räumlichkeiten der Abgabestellen nicht.

Denn viele hätten sicher noch immer die Vorstellung, dass ein CSC eine coole Location sei, in der das Vereinsleben blühen kann und auch der eine oder andere Joint konsumiert wird. Das ist gesetzlich aber nicht erlaubt. "Wir müssen dann die Spielverderber sein, die sagen: 'Hier wird nicht gekifft, geht woanders hin'", sagt Felix. Ihm wäre es lieber gewesen, das Gesetz sähe anders aus. Tut es aber nicht.

Aktuell besichtigen die beiden alle möglichen Flächen, die infrage kommen. Auch das sei nicht ganz unkompliziert:

  • Der Abstand zu anderen Social-Clubs muss eingehalten werden – Flächen können also nicht geteilt werden.
  • Der Abstand zu Kindergärten, Schulen, Spielplätzen oder Jugendzentren muss eingehalten werden.
  • Die Verpächter:innen müssen auf einen Cannabis-Club Lust haben.

Das Stigma ist noch immer recht groß, sagt Felix. Jahrzehntelang war Cannabis verboten, eine illegale Substanz. Viele Menschen hätten noch immer große Vorurteile gegen Cannabis und Konsument:innen. Felix stellt klar:

"Wir erklären bei den Besichtigungen, dass keine Kiffer-Höhlen entstehen und an den Abgabestellen ohnehin nicht konsumiert werden darf. Geruchsbelästigung wird es wegen moderner Filteranlagen ebenfalls nicht geben."

Aktuell hoffen die beiden auf den Zuschlag in einem Gewerbegebiet. Ihr Plan ist es, dort sowohl anzubauen als auch die Ausgabe zu organisieren. Der Anbau der Gras-Pflanzen soll unter strengsten Hygiene-Bedingungen stattfinden. Christoph ist Diplom-Landwirt und wird sich um die Cannabis-Pflanzen kümmern. Sie wollen aber nicht, dass alle Mitglieder Zugang zu den Anbauflächen bekommen, schließlich handele es sich um ein Konsumgut, bei dem es auch um Qualität gehe.

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Cannabis-Ausgabe wohl erst 2025

Das Problem, zu viele Mitgliedsanfragen zu haben, hat der CSC-PBB bislang nicht. Noch seien Plätze frei, erklärt Felix. 12 Euro kostet die monatliche Mitgliedschaft aktuell, das werde sich aber ändern, sobald die Kosten steigen. Schließlich müsste es sich am Ende auch rechnen. Auf dem Geld sitzen bleiben wollen Felix und Christoph nicht.

Schon jetzt arbeiten Christoph und Felix 40 bis 50 Stunden in der Woche ehrenamtlich an der Clubgründung – neben ihren eigentlichen Jobs.

Trotzdem: "Wir sind davon überzeugt, dass es machbar und schaffbar ist. Es ist Neuland und ein großes Risiko. Es ist aufregend und anstrengend, aber wir machen das ja freiwillig", sagt Christoph. Mit einer Ausgabe noch in diesem Jahr rechnet der Diplom-Landwirt dennoch nicht. Eher werde es 2025, bis die Ernte getrocknet ist und an die Mitglieder verteilt werden kann.