Klimaschutz vs. Migration: Jugendstudie zeigt, was der Gen Z zur EU-Wahl 2024 wichtig ist

Einmal im Jahr wird Europas Gen Z zu ihrem politischen Empfinden befragt.

Kurz vor der EU-Wahl ist die Frage, wie die Stimmung der Gen Z innerhalb Europas eigentlich ist, relevanter denn je. Sind junge Europäer:innen zufrieden mit ihren Regierungen? Mit der EU? Welche Themen treiben sie um?

Mit solchen Fragen beschäftigte sich die achte repräsentative Jugendstudie "Junges Europa" der TUI Stiftung, die heute in Berlin vorgestellt wurde. Das Meinungsforschungsinstitut YouGov hatte dazu diesen März 5874 Menschen zwischen 16 und 26 Jahren in Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland und Polen befragt.

Eine überraschende Erkenntnis daraus? Der Klimaschutz scheint von einem anderen Problem-Thema in der Wahrnehmung junger Europäer:innen verdrängt worden zu sein. Eine Einordnung.

1. Migration dringenderes Thema als Klimaschutz

Trotz Naturkatastrophen und düsteren Prognosen: Das gegenwärtig wichtigste Problem auf EU-Ebene ist für junge Europäer:innen das Thema Migration. 36 Prozent aller Befragten gaben auf die Frage "Was sind Ihrer Meinung nach gegenwärtig die wichtigsten politischen Probleme in der EU?" als Top-Antwort Migration und Asyl an. In Deutschland liegt dieser Wert sogar noch höher, 46 Prozent der hiesigen Befragten gaben an, dass die Zuwanderung derzeit das wichtigste Thema sei.

Umwelt- und Klimaschutz rücken im Vergleich zu 2023 damit im Problembewusstsein auf Platz zwei mit 26 Prozent. Die Befragten sollten ihre drei wichtigsten Themen auswählen und gleichzeitig ein Ranking erstellen.

Eine interessante Nebenbeobachtung: Bildungspolitik und Digitalisierung rangieren 2024 mit insgesamt nur 13 Prozent (Deutschland neun Prozent) weit unten auf der empfundenen Problem-Skala der Befragten.

Migration verdrängt Klima als Thema Nummer Eins.

Das ist ein Shift. "Wenn man sich zurückerinnert an die Situation vor fünf Jahren, dann galt die Europawahl 2019 als eine Klimawahl, eine grüne Wahl. Und das hat sich auch in den Ergebnissen damals niedergeschlagen. Das ist dieses Mal anders", erklärt Thorsten Faas dazu. Er ist Politikwissenschaftler an der FU Berlin und begleitet die Jugendstudie wissenschaftlich.

Prof. Thorsten Faas begleitet die Jugendstudie wissenschaftlich.

Er führt aus:

"Das Themenfeld 'Migration und Asyl' hat das Klima in der wahrgenommenen Dringlichkeit überholt. (...) Umwelt- und Klimaschutz rangiert erst dahinter – in einigen Ländern Südeuropas – Spanien, Griechenland – landet 'Klima' sogar nicht einmal in den Top 3 der drängendsten Probleme."

Angesichts von Waldbränden, Dürre und Trockenheit, gerade in den Mittelmeerländern, scheint das erstaunlich. Laut dem Professor sei es aber so, dass die Agenda eher national-situativ geprägt sei. In Griechenland sei gerade in erster Linie die Arbeitslosigkeit ein dringendes Thema der Jugend, in Spanien die Sozialpolitik.

1. Mehr oder weniger Zuzug? Gen Z ist gespalten

Die Feststellung, dass das Thema Migration und Asyl der Gen Z wichtig ist, heißt aber noch nicht, dass die Befragten automatisch migrationskritisch eingestellt sind.

Man müsse "diese beiden Ebenen wirklich unterscheiden", betont Faas. "Auf der einen Seite sprechen wir über die Wichtigkeit von Themen." Junge Menschen hielten das Thema Zuwanderung auch deshalb für sehr wichtig, weil Medien, Öffentlichkeit und auch die Parteien "sehr viel über dieses Thema sprechen."

Über die politische Haltung der Gen Z verrät das aber noch nichts. Daher fragte die Studie im Anschluss auch Haltungen in Bezug auf Migration, Klimawandel, Gleichstellung und sozialstaatliche Ausgaben ab, bat um Zustimmung oder Ablehnung auf einer Skala.

Gerade für eine Jugendstudie seien solche Ermittlungen von besonderem Interesse, "werfen sie doch die Frage auf: Gibt es eigentlich dominante Positionen, die innerhalb der Generation recht einheitlich geteilt werden?", sagt Faas. Das scheint aber nicht der Fall zu sein.

Wollen die Befragten mehr oder weniger Zuzug?

In Bezug auf das Thema Migration gaben 34 Prozent der Befragten an, dass die Zuzugsmöglichkeiten in der EU "eingeschränkt werden müssten" (Deutschland 32 Prozent), 23 Prozent hingegen sprachen sich für "erleichterte Zuzugsmöglichkeiten in die EU" aus (Deutschland 22 Prozent). Ein Drittel sagte "Teils/Teils", 10 Prozent wollte keine Angabe machen. Dieses Ergebnis ist einigermaßen ausgeglichen.

Bei keinem der vier abgefragten Themen zeigte sich übrigens eine eindeutige, geschlossene Haltung. "Natürlich gibt es Nuancen im Detail", fasst der Politikwissenschaftler zusammen. "Mehr junge Menschen wollen den Zuzug eher beschränken als ihn erleichtern (...). Aber das sind graduelle Unterschiede."

Insgesamt ließe sich nur zusammenfassen "dass es nicht die eine homogene Gruppe junger Menschen gibt, die eine einheitliche Position vertritt", sagt Faas. Von ausländerfeindlichen Ausbrüchen einzelner Gen-Z-Vertreter:innen, wie kürzlich auf einem Video aus Sylt zu sehen, solle man nicht auf die Masse schließen, sagte der Wissenschaftler auf Nachfrage bei der Pressekonferenz:

"Insgesamt wäre mein Blick in die Zukunft auch mit Blick auf die jungen Menschen optimistischer. Und vielleicht sollten wir uns auch nicht zu stark von so einem Videoschnipsel, so verwerflich der auch gewesen ist, leiten und prägen lassen."

1. Kurzfristig könnten rechte Parteien profitieren

Dennoch kann dieser verschobene Fokus auf Migrationsthemen die Europa-Wahl beeinflussen und politische Konsequenzen haben. Die Angst vor dem Klimawandel habe 2019 dem linken Spektrum genützt. Die Angst vor Migration kann nun entsprechend rechts-konservativen Parteien Wählerstimmen bescheren, glaubt Fass.

Die Entwicklung der Themen seit 2019.

Er erklärt:

"Wenn wir sehen, dass das Thema 'Migration' auf der Agenda weit oben ist, dann schafft dies ein thematisches Umfeld, dass eher rechten Parteien nützt."

Man müsse daher die "aktuelle Stimmungslage in der Bevölkerung sehr ernst nehmen", mahnt er weiter. Jedoch kann sich ein Stimmungsbild auch sehr "kurzfristig" ändern. Der Wissenschaftler ist überzeugt: "Bald schon könnte ein anderes Thema auf der Agenda ganz oben stehen und sich vorteilhaft für manche, eher nachteilig für andere Parteien auswirken."

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