Rheinmetall-Einstieg beim BVB: Falsche Politisierung und Größenwahn

Der BVB und Hans-Joachim Watzke haben einen Deal mit dem Rüstungshersteller Rheinmetall abgeschlossen.

Der Schriftsteller Paul Auster hat den Fußball einmal als eine Art Kriegsersatz bezeichnet. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gibt es – im historischen Vergleich – verhältnismäßig weniger Kriege. Der sportliche Wettkampf ersetze gewissermaßen die kriegerische Auseinandersetzung. Die Länder tragen "ihre Schlachten mit Stellvertreterarmeen in kurzen Hosen auf dem Spielfeld aus", meinte Auster.

Borussia Dortmund hat sich nun offenbar dazu entschieden, den martialischen Charakter des Fußballs mit einem neuen Sponsoren wieder etwas mehr ins Rampenlicht zu stellen. Im ohnehin gern kriegstreiberisch anmutenden Fußballjargon, in dem der Rasen einem "Schlachtfeld" gleicht und der Torwart mit Schüssen "bombardiert" wird, zündet der Klub die nächste "Eskalationsstufe".

Wie der BVB offiziell am Mittwoch verkündet hat, wird der Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall für die kommenden drei Jahre eine Partnerschaft mit dem Verein eingehen. Schon am Mittwoch soll das Logo an der Spielfeld-Bande zu sehen sein, auf den Trikots hingegen nicht. Noch nie hat ein Rüstungskonzern bei einem Bundesligisten geworben.

"Der BVB meint nun also ein Nischenthema für sich ausfindig gemacht zu haben, dem bitteschön größere Beobachtung geschenkt werden solle."

Aus dem Klub sei zu vernehmen, berichtete das "Handelsblatt" zuvor, dass die Kooperation keinesfalls aus rein monetären Gründen vollzogen worden ist – Dortmund erhalte pro Jahr einen einstelligen Millionenbetrag. Es gehe dem Verein darum, "eine öffentliche Debatte darüber zu entfachen, was für die Sicherheit des Landes notwendig ist".

Rheinmetall und BVB: Sicherheit ist längst Thema

Der BVB meint nun also ein marginalisiertes Nischenthema für sich ausfindig gemacht zu haben, dem bitteschön größere Beobachtung geschenkt werden solle. Nur verhält es sich seit dem russischen Angriffskrieg vor mehr als zwei Jahren so, dass kaum eine Woche vergeht, in der von Leitartikeln bis Lanz die Wehrhaftigkeit Deutschlands die Agenda bestimmt.

Eine ausgerufene Zeitenwende, zwei Sondervermögen für den Etat der Bundeswehr, fortwährende Vorstöße für die Aussetzung der Aussetzung der Wehrpflicht – es genügt ein Blick aus dem Fenster, um zu sehen, dass Sicherheit das beliebteste Wahlplakatmotiv im Europa-Wahlkampf ist. Braucht es da noch das Handeln eines Bundesligisten?

Der Rüstungshersteller Rheinmetall steigt beim BVB ein.

Man lehnt sich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man die Vermutung aufstellt, der BVB um den pragmatisch wie opportunen Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke macht sich schlicht eine Strömung des Zeitgeistes zunutze, um einen Werbedeal zu verargumentieren.

Ein Thema, das wohlgemerkt noch vor etwas mehr als zwei Jahren in der diskursiven Schmuddelecke lungerte und nur mit gerümpfter Nase und Kneifzange angefasst wurde. Im 2022 verabschiedeten Vereinskodex des BVB heißt es unter anderem, der Verein setze sich "für die körperliche, seelische und sexuelle Unversehrtheit eines jeden Menschen ein". Der Preis für eine 180-Grad-Wende war auch schon mal deutlich höher.

BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke möchte Plattform bieten

Watzke sagte, dass Sicherheit und Verteidigung Eckpfeiler der Demokratie seien. "Deshalb halten wir es für die richtige Entscheidung, uns sehr intensiv damit zu beschäftigen, wie wir diese Eckpfeiler schützen." Man freue sich auf die Zusammenarbeit und öffne sich "als Borussia Dortmund ganz bewusst für einen Diskurs".

Wie soll das aussehen? Wird es bei Mitgliederversammlungen Podiumsdiskussionen über das Für und Wider von Marschflugkörpern und Langstreckenraketen geben? Können Fans künftig über einen QR-Code im Stadion darüber abstimmen, wie toll sie Verteidigungsminister Boris Pistorius finden?

Im Dortmunder Signal-Iduna-Park wird Rheinmetall künftig werben.

Nicht weniger erstaunlich an dem Engagement Rheinmetalls bei Borussia Dortmund ist die willfährige Politisierung des eigenen Vereins. In einer Branche, die dafür bekannt ist, sich mit Händen und Füßen gegen jegliche Art der Vereinnahmung zu wehren, die den unpolitischen Charakter des Spiels unablässig predigt; positioniert sich der BVB nicht nur ungewohnt deutlich, sondern noch dazu bei einem ohnehin omnipräsenten Thema.

Als gäbe es nicht etliche Anstöße, bei denen ein Engagement womöglich tatsächlich einflussreich und mutig wäre. Für den 17. Mai dieses Jahres war etwa ein Gruppen-Coming-out im Fußball geplant. Daran hat sich auch der BVB beteiligt. Nur eben weniger prominent.

Rheinmetall lieferte trotz Waffenexport nach Saudi-Arabien

Nach den sogenannten ESG-Kriterien werden Rüstungsunternehmen in nachhaltigen Fonds bislang grundsätzlich ausgeschlossen. Ob das angesichts der Weltpolitik noch zeitgemäß ist, wird derzeit unter Wirtschaftswissenschaftler:innen diskutiert. Was Sportfunktionäre bei der Debatte beizutragen gedenken, ist fraglich.

Auch ist Rheinmetall nicht nur an den Waffenlieferungen an die Ukraine beteiligt, sondern hat seinerzeit auch den stillgelegten Waffenexport der Bundesregierung nach Saudi-Arabien umgangen.

Am Samstag steht Borussia Dortmund im Finale der Champions League. Allein durch diese sportliche Leistung wird der Verein einen dreistelligen Millionenbetrag verdienen, potenziell bis 200 Millionen Euro. Noch mal zum Vergleich:Das Rheinmetall-Engagement bringt dem Verein laut "Handelsblatt" jährlich einen einstelligen Millionenbetrag.

"Alles, was ich im Leben über Moral und Verpflichtungen des Menschen gelernt habe", sagte der leidenschaftliche Torwart und Literaturnobelpreisträger Albert Camus, "verdanke ich dem Fußball".