Die New Yorker High Line wird 15 Jahre alt

Einst eine vergammelte Hochbahntrasse ist die High Line längst ein blühender Park. Christina Horsten/dpa

Beinahe hätte es den Park auf der New Yorker High Line nie gegeben. Der Abriss der vergammelten ehemaligen Hochbahn-Trasse im Südwesten Manhattans war schon beschlossene Sache, aber Joshua David und Robert Hammond gaben nicht auf.

Die Nachbarn hatten sich 1999 auf einem Gemeinde-Treffen kennengelernt, bei dem sich viele Menschen für den Abriss ausgesprochen hatten. «Ich bin danach noch dageblieben und habe versucht, irgendjemand anderen zu finden, der auch die High Line retten wollte», erinnert sich Hammond. «Es gab niemanden, bis auf den Typen, der neben mir gesessen hatte. Er sagte, er heiße Josh.»

1934 war die Hochbahntrasse gebaut worden, damit Güterzüge ihre Ware direkt in die oberen Stockwerke der Fabriken und Lagerhäuser an der Westseite Manhattans liefern konnten. Weil später aber immer mehr Lastwagen anstelle von Zügen eingesetzt wurden, wurde die Strecke weniger und weniger genutzt. 1980 fuhr der letzte Zug - an Bord gefrorene Truthähne. Danach vergammelten die Trasse und mit ihr die Viertel um sie herum, bald geprägt von stinkender Fleisch-Industrie, Abfallbergen, Straßenstrich, Kriminalität und Drogen.

Konzerte und gemeinsames Sterne-Gucken

Aber David und Hammond entwickelten gemeinsam eine Version: Die High Line sollte zum Park werden. Sie klagten gegen den Abriss, mobilisierten Prominente wie Schauspieler Edward Norton und Designerin Diane von Fürstenberg, sammelten Millionen - und hatten schließlich Erfolg. Am 8. Juni vor genau 15 Jahren wurde das erste Teilstück der High Line als Park neu eröffnet - und sofort zum Riesenerfolg, der das städtebauliche Denken weltweit veränderte und global Nachahmer fand.

Nach der Eröffnung des südlichen Teils der High Line 2009 kam 2014 der nördliche hinzu. 2019 wurde auch noch der letzte Seitenabstecher «The Spur» renoviert hinzugefügt und 2023 mit einer neu gebauten Trasse mit dem Bahnhof Penn Station verbunden. Die Schienen sind vielerorts geblieben, aber dazwischen blühen Astern, Petunien oder Goldruten, führen Wege und stehen Bänke - und eröffnen sich auf rund 2,5 Kilometern Panoramablicke etwa auf das Empire State Building oder die Freiheitsstatue.

Es gibt Essensstände, Führungen durch die Blumenbeete, kostenlose Sportkurse, gemeinsames Sterne-Gucken, Konzerte und Angebote für Kinder. Der Unterhalt in Höhe von mehreren Millionen Dollar pro Jahr wird aus Spenden und städtischen Zuwendungen finanziert. «Wir haben eine neue Art und Weise geschaffen, wie man in New York und überall sonst über öffentlichen Raum nachdenkt», sagt Gründer David.

An sonnigen Tagen herrscht Dauerstau

Dazu gehört auch viel Kunst: Mit immer wieder wechselnden Installationen und Werken, häufig eigens für die High Line angefertigt, lässt das Interesse auch bei den New Yorkern nicht nach. Unter anderem sorgten schon eine Freiheitsstatue mit Comic-Gesicht der italienischen Künstlerin Paola Pivi, ein pinkfarbener Baum der Schweizer Künstlerin Pamela Rosenkranz und ein Werk der in Hamburg geborenen Künstlerin Julia Phillips für Begeisterung. Philips montierte ein Fernglas auf die High Line und verband es mit Kameras - so dass auf einem Bildschirm daneben groß die Augen des Menschen zu sehen waren, der gerade durch das Fernglas schaute.

Mehr als sieben Millionen Menschen spazieren jedes Jahr über das Erfolgsprojekt - so viele, dass an sonnigen Tagen fast schon eine Art Dauerstau herrscht. Längst hat die High Line auch die Viertel um sie herum komplett verändert. Vor allem der Meatpacking District, wo sie beginnt, und Chelsea, wo sie durchführt, sind zu teuren Szene-Vierteln geworden, wo Promis und Gutverdienende hinziehen. Neue Luxus-Wohntürme, Haute-Couture-Läden, Galerien, Cafés und teure Restaurants prägen die sorgfältig renovierten Straßenzüge.

Trend zu mehr Natur und Bewegung

Das quer über die High Line gebaute «Standard»-Hotel gehört zu den angesagtesten der Stadt, am Südende der High Line lockt inzwischen das von der Upper East Side hinunter gezogene Whitney Museum, am Nordende ist mit den Hudson Yards ein komplett neues Luxus-Hochhaus-Stadtviertel entstanden. Nicht für alle sind das gute Nachrichten, viele Menschen und Ladenbetreiber konnten sich die hohen Mieten nicht mehr leisten und mussten wegziehen.

Die High Line stehe für einen generellen Trend zu mehr Natur und Bewegung in New York, sagte der aus New York stammende Senator Charles Schumer einmal. «Früher haben wir U-Bahnen gebaut und Farmen zu Stadtvierteln gemacht. Jetzt bauen wir Parks.» Die High Line sei längst zu einer der Touristenattraktionen mit dem höchsten Wiedererkennungswert in der Millionenmetropole geworden. «Früher haben die Leute gesagt: "Wenn du nach New York fährst, musst du dir das Empire State Building anschauen." Heute sagen sie: "Wenn du nach New York fährst, musst du über die High Line laufen."»

Der «Moynihan Connector» verbindet New Yorks High Line mit dem Bahnhof Penn Station. Christina Horsten/dpa
Das Kunstwerk «Forgiving Change» des Berliners Timur Si-Qin auf der High Line. Christina Horsten/dpa

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