Frohms oder Berger? Die Schwächen und Stärken der beiden DFB-Torhüterinnen

By Helene Altgelt

Es wäre kein richtiger Fußballsommer ohne die traditionelle Torwartdebatte. Kahn oder Lehmann, Neuer oder ter Stegen – wer den Kasten hütet, das ist stets eine heiß diskutierte Frage unter Fans. Im deutschen Frauen-Nationalteam sah es bis vor Kurzem aber nach klaren Verhältnissen aus: Merle Frohms vom VfL Wolfsburg ist schon seit einigen Jahren Stammtorhüterin, die 29-Jährige folgte auf Almuth Schult und hütete seitdem bei EM und WM den Kasten.

Weder Martina Voss-Tecklenburg noch Zwischenlösung Britta Carlson oder nun Interimstrainer Horst Hrubesch hatten bisher einen Grund, am Status Quo zu rütteln – Frohms patzt selten. Vor den Olympischen Spielen 2024 in Frankreich scheint der Platz im deutschen Tor nun aber offen: "Geschenke gibt es bei mir nicht“, sagte Hrubesch bereits. "Morgen ist der eine verletzt, dann ist der andere der Erste. Warum sollte ich mich also festlegen?“

Plötzlich Torhüterinnen-Debatte entflammt

Die F.A.Z. berichtete sogar, dass nicht Merle Frohms, sondern ihre Konkurrentin Ann-Katrin Berger im Rennen um den Stammplatz die Nase vorne haben soll. Auch Berger ist im Kreis des Nationalteams ein bekanntes Gesicht, die 33-Jährige hatte aber bisher immer die Rolle als zuverlässige Stellvertreterin inne. Bei einer Verletzung oder anderem Pech, das wussten Trainer und Fans immer, wäre das Tor bei Berger in sicheren Händen – aber so weit kam es selten.

Auch Hrubesch schätzt Berger bekanntlich, lobte sie im März mit folgenden Worten: "Sie ist eine erfahrene Spielerin, die sich schon oft bewiesen hat. Sie ist die Art Spielerin, die für die Mannschaft unglaublich gut ist", sagte er. Frohms galt damals noch als Favoritin – warum, das deutete Hrubesch in derselben Pressekonferenz an: Berger hatte beim FC Chelsea, wo sie seit 2019 spielte, in dieser Saison ihren Stammplatz verloren und lief nur sieben Mal für die Blues auf.

"Ein paar Probleme" habe Berger mit ihrer Trainerin Emma Hayes, deutete Hrubesch etwas kryptisch an. Für mehr Spielpraxis wechselte Berger die Seite des Ozeans und etablierte sich bei NJ/NY Gotham FC in der amerikanischen Liga NWSL prompt als Stammtorhüterin. Der Wechsel hat sich für sie voll ausgezahlt und womöglich auch bei Hrubesch ein Umdenken herbeigeführt. Aber was spricht für und gegen beide Torhüterinnen?

Stärken von Frohms: Zusammenspiel mit der Abwehr, Reflexe und modernes Torwartspiel

Lange die unumstrittene Nummer 1: Merle Frohms | Catherine Steenkeste/GettyImages

Merle Frohms wäre die Lösung, mit der Hrubesch wenig falsch machen kann. An der EM-Silbermedaille 2022 war sie maßgeblich beteiligt, an dem frühen WM-Aus ein Jahr später trug Frohms keine Schuld. Auch in der Bundesliga gab sich die 29-Jährige diese Saison wenig Blöße: Laut der Datenplattform The Analyst zählte sie diese Saison zu den besseren Torhüterinnen der Liga.

Allerdings nicht zu den besten – wenn es darum geht, welche Keeperinnen die meisten Tore verhindert haben, liegen etwa Maria-Luisa Grohs von Bayern oder Essens Sophia Winkler vor ihr. Keinen einzigen großen Patzer leistete sich Frohms aber (laut Fotmob), und reagierte wohl auch deswegen etwas überrascht auf den plötzlichen Konkurrenzkampf.

Sie müsse jede Entscheidung des Trainers akzeptieren, aber nicht jede "nachvollziehen können“, sondern damit "umgehen können“, sagte die 51-malige Nationalspielerin. Für Frohms spricht vor allem ihr routiniertes Zusammenspiel mit der Abwehr.

Bei Olympia könnten ihre Wolfsburger Teamkolleginnen Kathrin Hendrich und Marina Hegering die Innenverteidigung bilden, auch Lena Oberdorf wird im defensiven Mittelfeld mitmischen. Frohms weiß, wie sie ihr Team koordinieren kann, und weiß um die Stärken und Schwächen der Abwehr. Missverständnisse sind damit eher unwahrscheinlich.

Zudem macht die VfL-Spielerin aus, dass sie eine moderne Torhüterin ist. Frohms kommt gerne früh aus ihrem Kasten und vereitelt so Torchancen, bevor es richtig gefährlich ist. Im Spiel will sie nicht nur die Torhüterin sein, sondern auch eine Feldspielerin, bietet sich viel an. Bei der Passgenauigkeit und auch der Präzision ihrer langen Bälle war Frohms diese Saison die beste Spielerin der Bundesliga. Frohms packt zudem immer wieder sensationelle Paraden aus – gerade Freistöße kratzt sie gerne noch mit starken Reflexen aus dem Winkel.

Berger: Elfmeterkillerin, Strafraumkontrolle und starke Form

Bei NJ/NY Gotham FC zeigte Berger bisher starke Leistungen | Erin Chang/ISI Photos/GettyImages

Bei der Strafraumbeherrschung ist Frohms dagegen manchmal unsicher, hat einige Flanken erst im Nachfassen. Da hat ihre Konkurrentin Ann-Katrin Berger die Nase vorne – Berger ist auch leicht größer als Frohms. Ihre Quote bei den gehaltenen Bällen ist auch leicht besser als die von Frohms. Gleichzeitig ist die Passquote von Berger nicht so stark wie Frohms‘.

Am bekanntesten ist die gebürtige Göppingerin aber für ihre starken Nerven auf der Linie: Berger hat sich über die Jahre einen Ruf als Elfmeterkillerin erarbeitet, führte ihren FC Chelsea in der letzten Saison dank ihrer Paraden gegen Lyon in das Halbfinale der Champions League.

"Ich liebe Elfmeterschießen. Ich spüre dort keinen besonderen Druck", schwärmte Berger danach. Ihre Mitspielerin Maren Mjelde adelte sie danach sogar als beste Torhüterin der Welt. "Ich liebe es, Ann-Katrin auf der größten aller Bühnen scheinen zu sehen", sagte die Norwegerin.

Neben den rein sportlichen Aspekten könnte noch eins entscheidend werden: Weil die amerikanische NWSL einen anderen Spielplan hat als die europäischen Ligen, ist Berger aktuell Woche für Woche im Einsatz und in bester Form. Das könnte für Hrubesch auch entscheidend werden.

Letztendlich ist es für den 73-Jährigen aber vor allem eine Frage der Abwägung: Was zählt mehr, Form oder Zusammenspiel mit der Abwehr; Passquote oder Strafraumkontrolle? Egal wie der Interimstrainer sich entscheidet, Olympia 2024 wird keine leichte Aufgabe für die DFB-Frauen. In der Gruppe B trifft Deutschland auf Sambia, dazu den WM-Vierten Australien und das Schwergewicht USA.

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