EVP-Generalsekretär: Keine formelle Vereinbarung mit Meloni, aber Zusammenarbeit von Fall zu Fall möglich.

Während des Wahlkampfs warb Ursula von der Leyen öffentlich um Giorgia Meloni. ©European Union, 2024.

Die christdemokratische Europäische Volkspartei (EVP) wird nicht versuchen, ein formelles Abkommen mit Giorgia Meloni und ihrer rechtsgerichteten Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten (ECR) zu schließen, weder um Ursula von der Leyen wiederzuwählen noch um eine Regierungsmehrheit in der nächsten Legislaturperiode zu sichern, sagte der Generalsekretär der EVP einen Tag nach den Wahlen.

Naxch den bisher vorliegenden Ergebnisse liegt die EVP mit 186 Sitzen weit vor den 135 Sitzen der Sozialisten und Demokraten (S&D) und den 79 Sitzen der liberalen Partei Renew Europe.

"Die EVP wird versuchen, eine Mehrheit im Europäischen Parlament mit Freunden und Verbündeten zu bilden, mit denen wir schon früher zusammengearbeitet haben: mit den Sozialisten, mit den Liberalen und hoffentlich auch mit den Grünen. Und die Zahlen sind da für eine solche Mehrheit, und das ist gut so", sagte Thanasis Bakolas am Montagnachmittag gegenüber Euronews.

Aber, fügte Bakolas hinzu, wenn es um "wichtige Gesetzgebung geht, werden wir uns an Abgeordnete wenden, die bereit sind, uns zuzuhören und für uns zu stimmen". Diese Zusammenarbeit werde davon abhängen, ob die weiter rechts stehenden Abgeordneten pro-europäisch, pro-Rechtsstaatlichkeit und pro-Ukraine seien, sagte er und griff damit die Hauptkriterien auf, die von der Leyen während ihrer Kampagne aufgestellt hatte.

"Die Europaabgeordneten von Giorgia Meloni werden vielleicht für uns stimmen wollen. Und ich denke, das wäre großartig. Aber ich sehe keine institutionelle oder formalisierte Vereinbarung darüber hinaus", fügte er hinzu.

Auf die Frage, ob diese Annäherung, wenn auch nur von Fall zu Fall, dazu beitragen könnte, rückwärtsgewandte Politiken zu normalisieren, lobte Bakolas Melonis Ansatz in der europäischen Politik.

Die italienische Ministerpräsidentin sei eine "Führungspersönlichkeit, die im (Europäischen) Rat sehr beliebt und respektiert ist, nicht nur bei den EVP-Vorsitzenden, sondern auch bei anderen Politikern. Sie ist sehr konstruktiv. Sie arbeitet gut im Rat, und das ist wichtig für Europa, denn sie kommt aus einem großen Land, aus Italien. Das ist also die Tatsache", sagte Bakolas.

"Zum jetzigen Zeitpunkt ist Giorgia Meloni ein sehr konstruktiver Akteur auf der europäischen Bühne.

Ein mögliches EVP-ECR-Bündnis hat viele Debatten im Wahlkampf dominiert und die Spekulationen über die zukünftige Ausrichtung des Europäischen Parlaments weiter angeheizt. Von der Leyen wurde mehrmals gefragt, ob sie die Stimmen Melonis annehmen oder ablehnen würde, und gab jedes Mal eine immer eindeutigere Antwort, dass sie sie tatsächlich annehmen würde.

Doch als die vorläufigen Ergebnisse am Sonntagabend offiziell wurden, änderte von der Leyen plötzlich ihren Ton und reichte den Sozialisten und Liberalen die Hand, um eine starke zentristische Mehrheit für die nächsten fünf Jahre zu bilden - ohne Giorgia Meloni zu erwähnen.

"Die Mitte hält", sagte von der Leyen.

Die amtierende Präsidentin weigerte sich auch zu sagen, ob die Grünen, deren Zahl gegenwärtig von 71 auf 53 Abgeordnete gesunken ist, Teil dieser pro-europäischen Mehrheit sein werden, und merkte lediglich an, dass ihre Priorität die S&D und Renew seien und dass jedoch "die Tür für andere offen" bleibe.

In seinem Interview mit Euronews sprach Bakolas von den Grünen als möglichen Partnern für eine große Koalition, die "auf lange Sicht bestehen und auch wachsen kann".

"Der Cordon sanitaire wird halten", sagte er voraus.

Der Green Deal ist nicht tot

Die 27 Staats- und Regierungschefs treffen sich am 17. Juni und am 27. Juni, um die Verteilung der Spitzenposten zu besprechen, wobei von der Leyens Wiederwahl zur Debatte steht. Nachdem sie für weitere fünf Jahre an der Spitze der Europäischen Kommission nominiert ist, muss sie sich einer Anhörung im Europäischen Parlament stellen. Dort benötigt sie mindestens 361 Ja-Stimmen. 2019 hatte sie diese Prüfung mit nur neun Stimmen über der benötigten Mehrheit bestanden.

Während die Zustimmung der Staats- und Regierungschefs so gut wie sicher scheint, wird der Weg im Parlament "knifflig und schwierig" sein, räumte Bakolas ein. Von der Leyens ehrgeiziger Green Deal hat einige ihrer EVP-Kollegen verärgert, vor allem Les Républicains aus Frankreich, die ihr vorwarfen, eine "von der Linken geförderte Anti-Wachstums-Politik" zu verfolgen.

"Es muss politisch gearbeitet werden, um unsere Europaabgeordneten zu motivieren, der Linie zu folgen, die die führenden Politiker wollen. Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig, dass das Parlament strategisch und sehr politisch handelt, denn nur so können wir eine Koalition der Mitte aufrechterhalten", sagte Bakolas.

"Wir sind eine große Partei, wir sind ein großes Zelt", fügte er hinzu. "Wir müssen die Sache durchziehen."

Die zunehmend feindselige Rhetorik der EVP gegen den Green Deal, die sich in dem erbitterten Kampf gegen das Naturwiederherstellungsgesetz niederschlug, hat die Progressiven erzürnt, die behaupten, dass die Konservativen die Bemühungen um Klimaneutralität aufhalten oder sogar umkehren wollen. Einige der brisanten Behauptungen, mit denen die EVP das Naturwiederherstellungsgesetz angefochten hat, wurden von Nichtregierungsorganisationen als Desinformation bezeichnet.

"Als politische Partei wollen wir, dass der Green Deal erfolgreich ist, und das ist es, was die Menschen wollen", sagte Bakolas. "Wir sind keine Klimaleugner."

"Aber ich denke, dass es in gewisser Weise ein kollektives Versagen gab, als es um den Green Deal ging, weil er zu ideologisch getrieben war. Und wir von der EVP tragen auch eine Verantwortung, weil wir es zugelassen haben, dass es ideologisch getrieben wurde", fügte er hinzu.

Seiner Meinung nach fehlte der "Wettbewerbsaspekt".

Seine Äußerungen zur Umwelt-"Ideologie" ähnelten den Argumenten, die Meloni und ihre rechtsgerichteten Verbündeten verwendet haben, um den Green Deal anzuprangern. In ihrem Manifest schwört die EKR, die mehrgleisige Initiative "auf den Kopf zu stellen".

"Wir sind entschlossen, Bürger, Landwirte und Unternehmen vor den negativen Auswirkungen der derzeitigen überideologischen grünen Klimapolitik zu schützen", heißt es im Manifest.

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