EM 2024: Berliner Fanmeile verwandelt sich in großes Hip-Hop-Konzert

Die Berliner Fanmeile wurde mit einem Konzert des Berliner Rappers Luciano eröffnet.

Fußball-Großveranstaltungen haben es nicht leicht. Es wird immer ein Turnier geben, das in der eigenen Erinnerung einen ganz besonderen Platz hat. Und alle Welt- und Europameisterschaften davor und danach haben es schwer, diese aus dem eigenen sowie kollektiven Gedächtnis zu verdrängen.

In Deutschland gilt dieser Maßstab für die Heim-WM 2006. Auch wenn es unfair anmutet. Ein erstes Kräftemessen kann das Turnier mit seinem Vorgänger von vor 18 Jahren nicht gewinnen.

Denn von euphorischer Fußballstimmung ist am Mittwochabend bei der offiziellen Eröffnung der Berliner Fanmeile im Rahmen des Fußballkultursommers nicht so viel zu spüren.Der Fußball ist eher ein Randaspekt.

Fans in Trikots sind eher die Ausnahme. Hier mal ein Shirt mit dem Aufdruck Musiala, dort mal das pinke Trikot mit dem Namen Wirtz. Fotograf Michael Wittig hat sich zur Aufgabe gemacht, ein Fan im Trikot eines jeden Teilnehmerlandes zu fotografieren. Bei der WM 2006 sei dieses Vorhaben geglückt. Am Mittwochabend hat er es weitaus schwerer.

Immerhin zwei Länderpunkte kann er schnell abhaken. Eine Fünfergruppe Schotten haben sich in Trikot und auch waschecht im typischen Schottenrock auf der Fanmeile verirrt. "Wir haben eine Sightseeing-Tour gemacht und zufällig gesehen, dass hier etwas los ist", sagt einer von ihnen im Gespräch mit watson. Dass es schon einige Bier gab, vor denen die britischen Fans zuvor gewarnt wurden, hört man der Gruppe an.

EM 2024: So teuer sind Bratwurst und Bier auf der Fanmeile

Und Nachschub ist schnell besorgt, denn die Mitarbeiter:innen der Getränke- und Imbissstände stehen eher gelangweilt herum. Nicht viele Gäste sind bereit, sechs Euro für eine Bratwurst oder sieben Euro für ein Steak auszugeben. Für einen Softdrink müssen sie nochmal fünf Euro, für ein Bier sechs Euro bezahlen. Dazu kommen drei Euro Becherpfand.

In München, wo zur gleichen Zeit am Mittwochabend Weltstar Ed Sheeran und auch Nelly Furtado auftreten und die Fanzone auf der Theresienwiese eröffnen, ist das Bier sogar nochmal einen Euro teurer.

Jede Gastgeberstadt ist von der Uefa verpflichtet, solche Fanzonen für die Fans bereitzustellen.

In Berlin philosophieren auch keine Ex-Profis über Taktiken, den Videoschiedsrichter oder die Nominierungen von Bundestrainer Julian Nagelsmann. Einen gewissen Hauch von Fußball gibt es durch Kevin-Prince Boateng dennoch. Als Botschafter der Stadt Berlin bei der EM beantwortet er kurz drei Fragen. Immer wieder kommen Gesprächspartner auf die Bühne, die vom Publikum jedoch kaum beachtet werden. Nur wenn die Antwort "Deutschland" auf die Standardfrage "Wer wird Europameister?" lautet, gibt es Jubel.

Denn das vorwiegend junge Publikum ist vor allem wegen Rapper Luciano da. Schließlich ist die Eröffnung kostenlos, normale Karten für seine Auftritte kosten über 50 Euro. Auf der Bühne performen zuvor auch die Popstars Leony, die den offiziellen EM-Song zum ersten Mal live spielt, Elif und Álvaro Soler.

Fanmeile in Berlin wird zum Rap-Konzert von Luciano

Als Luciano endlich die Bühne betritt, ist die Stimmung ausgelassen und friedlich. Nach den ersten Songs gibt es sogar große Moshpits, schnell verfestigt sich so der Eindruck, dass es ein Hip-Hop-Konzert ist. Um Fußball geht es erst ab Freitagabend.

Video: YouTube/AitchVEVO

Und einen ersten Vorgeschmack, dass es nicht immer friedlich laufen wird, hat das Sicherheitspersonal auf der Berliner Fanmeile auch schon bekommen.

Ein Ordner berichtet watson von hitzigen Wortgefechten, wenn etwa die Taschenkontrolle etwas länger dauert oder Gäste zu alkoholisiert sind und das Personal wild beschimpfen. "Ich habe das am Anfang gar nicht mitbekommen, dass er mich beleidigt hat.Aber einfach wie Teflon sein, Bruder. Das muss an dir abprallen, sonst bist du im falschen Job", sagt der Ordner mit einem breiten Grinsen im Gesicht.

Und damit es auch unter den Gästen friedlich bleibt, ist auf der kompletten Fanmeile die Präsenz der Polizei nicht zu übersehen. Während am Mittwochabend dauerhaft der Geruch von Gras in der Luft liegt, patrouillieren zahlreiche Polizisten in Gruppen von vier bis sechs Personen mit einem kritischen Blick über das Gelände. Julien und Meghan aus Frankreich stören sich daran jedoch nicht.

EM 2024: Schottische Fans hoffen auf gute Stimmung in München

Und für den Fotografen Wittig ist es ein weiter Foto-Punkt. Denn der 33-jährige Franzose ist im Frankreich-Trikot und mit der Flagge auf der Wange gemalt auf der Straße des 17. Juni. Auch ein Kreuzbandriss und Krücken halten ihn nicht davon ab.

Die Franzosen Julien und Meghan stachen bei der Fanmeile aus der Masse heraus.

Beide sind schon in EM-Stimmung und blicken dem Turnier positiv entgegen. Am Mittwochabend wollen sie sich einfach einen ersten Blick auf die Fanmeile verschaffen und ihr Fazit fällt mit "echt schön" kurz und bündig aus.

Auch wenn der Fußball erstmal noch eine untergeordnete Rolle spielt. "Die Eröffnung ist noch zwei Tage entfernt und in Berlin spielen wir nicht. In München wird die Stimmung bestimmt besser sein", sagen wiederum die fünf Schotten, während sie auf dem extra verlegten Kunstrasen liegend ihr Bier trinken. Natürlich im Trikot der schottischen Nationalmannschaft und stilechtem Schottenrock. Auch sie haben die Hoffnung, dass Deutschland in Sachen Stimmung an 2006 anknüpfen kann.