Der letzte Rotz: Warum spucken Fußballer auf den Rasen?

DFB-Star Leroy Sané spuckt auf das Spielfeld.

Mit der EM in Deutschland steigt die Anzahl derer, die zum ersten Mal ein Spiel verfolgen und keine Ahnung von Fußball haben. Watson liefert in der Serie "Fußball-Fragen" Antworten für Laien.

Als Fußballspieler ist es üblich auf den Rasen zu spucken oder sich, auf gut Deutsch, "die Nasenlöcher freizurotzen". Ein Ritual, das viele Fußballer vor dem Anstoß oder der Einwechselung praktizieren. Doch muss das wirklich sein?

Ähnlich wie das Jubeln nach dem Tor gehört das Spucken für viele Fußballer dazu. Aber woher kommt das?

Für den bisher größten Spuck-Eklat sorgte ein Spiel zwischen Deutschland und den Niederlanden bei der WM 1990. Gleich zweimal spuckte der Niederländer Frank Rijkaard in den lockigen Vokuhila von Rudi Völler. Seither hat sich das Spucken etabliert – manchmal auch ins Gesicht.

Rudelbildung: Nach der Spuck-Attacke von Frank Rijkaard wurde es unter den Spielern hitzig.

Rote Karte, Sperre und Geldstrafe: Umgang mit Spuck-Eklats

Der DFB ahndet das unsportliche Verhalten mit einer roten Karte. So auch im Fall von Gladbachs Marcus Thuram, der am 13. Spieltag der Saison 2020/21 den Hoffenheimer Stefan Posch anspuckte. Zusätzlich zur roten Karte verhängte der DFB eine Geldstrafe in Höhe von 40.000 Euro und eine Sperre. Insgesamt fünf Bundesliga- und Pokalspiele musste der französische Nationalspieler aussetzen.

Spucken – selbst, wenn der Speichel nicht im Gesicht, sondern auf dem Rasen landet – ist respektlos. Da sind sich viele einig, auch Winfried Speitkamp, Professor für Neuere und Neuste Geschichte an der Universität Kassel. Gegenüber "Deutschlandfunk Nova" bezeichnet er das Spucken als "Abfälligkeitsbekundung". Doch gibt es irgendwelche Gründe, die das Spucken rechtfertigen?

EM 2024: Mediziner nennt Grund für spuckende Fußballer

Jaein, heißt es in der Medizin. Studien zu spuckenden Fußballern existieren keine, Expert:innen wie Thomas Deitmer, Chefarzt der HNO Klinik Dortmund, zeigen jedoch, dass es nachvollziehbare Gründe für das Verhalten gibt.

Während eines Vollsprints atmen die Fußballer vermehrt durch den Mund anstatt durch die Nase. Die zirkulierende Luft im Mundraum sorgt dafür, dass die Schleimhäute allmählich austrocknen. Die Folge: der restliche Speichel wird visköser und transformiert sich zu Schleim. "Wenn sich das in Mengen in Mund und Rachen ansammelt, ist es verständlich, dass man es loswerden will", erklärt Deitmer gegenüber dem "Spiegel".

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Spucken als Frustbewältigung oder zum Revier markieren

Auch Expert:innen aus der Sportpsychologie nehmen die Fußballer in Schutz. Demnach hilft das Spucken den Spielern dabei, ihr "Revier" zu markieren – so wie Hunde, die an einen Baum pinkeln. Das viele Spucken lässt sich laut Sportpsychologe Jürgen Walter aber eher als Form der Frustbewältigung erklären.

"Wer das Spucken beobachtet, merkt schnell, dass die Fußballer nicht aus Freude spucken, sondern eher, wenn ihnen etwas misslungen ist", sagt Walter gegenüber dem "Spiegel". Demnach sei alles, was negative Gedanken stoppt, gut für den Spieler.

EM 2024: Fußballer sollten auf Spucken verzichten

Trotzdem: Es gibt gute Gründe, warum fremder Speichel einen gewissen Ekel hervorruft und Fußballer davon absehen sollten. Da ist dieses widerliche Geräusch, wenn der Rotz druckvoll den Rachen hochgezogen wird oder der Gedanke, dass unzählige Grippeviren in der Spucke überwintern können.

Denn bereits aus gesundheitlichen Gründen sollten Fußballer auf das Spucken gänzlich verzichten – so wie während der Corona-Pandemie, als die DFL ein Spuckverbot verhängte.

Um das Infektionsrisiko einzudämmen, empfiehl die DFL den "Ausstoß von Speichel (Spucken)" zu vermeiden, hieß es im offiziellen Schreiben an die Vereine. Ein Verstoß wurde in den Monaten nach dem Re-Start der Bundesliga jedoch nicht sanktioniert, die Maßnahme schnell wieder fallen gelassen. Eine vergebene Chance, den Fußballern das Spucken abzugewöhnen?