Berater im Frauenfußball: Jorge Mendes steigt ein - das Geschäft verändert sich

By Helene Altgelt

Jorge Mendes hat erkannt, dass der Kuchen wächst. Aktuell mögen die Gehälter im Frauenfußball im Vergleich zu den astronomischen Summen bei den Männern noch Peanuts sein. Aber die Richtung ist klar: Der Rekord für den teuersten Transfer wurde allein in der Winterpause 2024 zweimal hintereinander gebrochen, die absoluten Topspielerinnen verdienen inklusive Sponsoren-Geldern teils eine Million oder mehr.

Und da viele Vereine sich Topspielerinnen sichern wollen, es davon aber aktuell noch nicht so viele gibt, steigt der Wert nochmal. Der Frauenfußball wird Investoren gerne als verheißungsvolles Start-Up versprochen, das zwar heute noch keine Gewinne abwirft, aber eine glanzvolle Zukunft erwarten kann. Wer heute investiert, bringt sich in beste Stellung für den verschärften Konkurrenzkampf von morgen, wenn die Summen überall längst gestiegen sind. Ein gutes Geschäft wird also gewittert.

Jorge Mendes und Co: Prominente Berater drängen in den Frauenfußball

Wo ein gutes Geschäft ist, da sind Figuren wie Jorge Mendes nicht weit. Mendes, 58, ist einer der prominentesten Spielerberater überhaupt und hat ein feines Näschen für gute Deals. 2018 sammelte der Portugiese, dem unter anderem Cristiano Ronaldo lange vertraute, laut Forbes ganze 86,7 Millionen Euro an Provisionen ein.

Nur aus Altruismus macht Mendes seinen Job wohl eher weniger. Das gilt auch für sein neues Investment im Frauenfußball: Die Transferagentur WOM Sports, von der unter anderem Aitana Bonmatí beraten wird, gehört nun zu Mendes' umfangreichem Netz. "Der Frauenfußball entwickelt sich rasant, mit mehr Spielerinnen und mehr Wettbewerben, so dass diese Partnerschaft mit WOM sehr sinnvoll ist", wird Mendes dabei zitiert.

Aitana Bonmati ist eine der wertvollsten Spielerinnen derzeit - an einem Transfer würde auch Jorge Mendes mitverdienen | THOMAS COEX/GettyImages

Seine Vision für die Zukunft des Frauenfußballs dürfte der von FIFA-Boss Gianni Infantino damit sehr ähnlich sein: Der Frauenfußball als bisher unbearbeiteter Acker, auf dem noch viel Ernte zu holen ist. Am besten durch möglichst intensive Bewirtschaftung, also so viele Spiele wie möglich.

Mendes hatte auch vor dieser Eingliederung schon erste Schritte im Frauenfußball gewagt: Kika Nazareth, eins der größten Talente in der Offensive und von Chelsea und Barcelona umworben, ist Teil von Mendes' Schar an Klienten. Auch andere bekannte Berater aus dem Männerfußball, wie der inzwischen verstorbene Mino Raiola, haben im Frauenfußball ein neues Feld erkannt. Raiola nahm 2021 mit der Juve-Stürmerin Barbara Bonansea seine erste Spielerin unter Vertrag.

Für Mendes und Raiola war es wohl nicht allzu schwer, auch im Frauenfußball schnell Fuß zu fassen. Bisher sind solche Deals aber eher noch die Ausnahme von der Regel: Aktuell sind im Frauenfußball vor allem Agenturen, die schon länger dabei sind, präsent. Sie haben schließlich schon ein Netzwerk und Vertrauen aufgebaut. Die "Super-Agenten" wie im Männerfußball gibt es bisher weniger.

Bisher vor allem Berater mit viel Erfahrung im Frauenfußball unterwegs

Stattdessen prägen Figuren wie Dietmar Neß, der schon lange dabei ist, die Szene. Neß betreut etwa Dzsenifer Marozsan, Sara Björk Gunnarsdottir und Linda Dallmann. Er sagte letztes Jahr in der Süddeutschen Zeitung, dass der Weg in Richtung Männerfußball gehe: "Noch muss investiert werden", sagte er: "Aber gewisse Muster ähneln sich schon. Beispielsweise, dass Vereine versuchen, Spielerinnen aus Verträgen herauszukaufen."

Von Neß beraten: Linda Dallmann am Ball | Christof Koepsel/GettyImages

Neß erinnert sich in dem Gespräch auch an seine Anfänge im Frauenfußball: "Für die Klubs war es ein Schock, dass jemand die Interessen einer Spielerin vertreten wollte, das wurde als unnötig und negativ wahrgenommen. Erst mal wurde mir von einigen Verantwortlichen gesagt: Von uns bekommst du keinen Cent!"

Damals sei auch mal ein Vertrag in einer McDonald's-Filiale abgeschlossen worden - heute undenkbar. Auch die Bezahlung lief anders: Neß baute seine Agentur mit der Hilfe von Sponsoren auf, stellte anfangs den Spielerinnen noch gar nichts in Rechnung. Erst später etablierte sich dann auch im Frauenfußball die "Zehn-Prozent-Regel": Diesen Anteil bekommen die Berater als Provision.

Auch Neß sieht, dass die Branche im Wandel sei. "Es gibt inzwischen auch einige unseriöse Berater, die sich weniger fragen, was das Beste für die Entwicklung ihrer Klientin ist, sondern was den eigenen Geldbeutel schneller füllt", wird er in der SZ zitiert. Seine Prognose für die Zukunft ist klar die Annäherung an den Männerfußball, ob beim Investment der Vereine oder beim Verhalten der Berater: "In ein paar Jahren wird es vielleicht im Frauenfußball genauso sein", sagt er im Bezug auf die Raffgier einiger Kollegen.

Neue Spielregeln im Geschäft durch neue Berater?

Mit dieser Meinung ist Neß nicht allein. Jasmina Čović, die unter anderem Laura Freigang berät, sagte in einem Interview : "Viele Berater, insbesondere bei den Männern, werben auf aggressive Art und Weise Spieler:innen ab. Das erleben wir gerade auch im Frauenfußball", sagte sie: "Wenn die großen Männeragenturen in den Markt eindringen, ist man so gut wie chancenlos – außer die Spielerinnen zeigen Charakter und bleiben uns treu, weil sie dankbar für alles sind, was wir für sie getan haben."

Klar: Wer schon länger im Geschäft ist, hat natürlich ein Interesse daran, seine Position zu halten. Lange gab es im Frauenfußball nur eine Handvoll Berater, nun werden die Ellbogen ausgefahren - nur verständlich, dass die bereits etablierten Akteure von der neuen Konkurrenz nicht begeistert sind. Trotzdem geht es bei dem Thema nicht nur um Machtspielchen innerhalb der Branche.

Mit neuen Beratern könnte auch eine andere Sicht auf das Transfer-Business im Frauenfußball Einzug halten. Jasmina Čović ist skeptisch, ob das immer zum Vorteil der Spielerinnen ist. "Aufmerksamkeit ist immer gut. Aber ist die Spielerin tatsächlich bei jemandem, der keinerlei Bezug zum Frauenfußball hat, gut aufgehoben?", sagte sie GOAL gegenüber.

Beispiele für Fälle, in denen das Gegenteil passierte, hat sie zuhauf: "Dzsenifer Marozsan wurde mal vom damaligen Berater von Robert Lewandowski vertreten. Als sie merkte, dass sie bei ihm an letzter Stelle kam, hat sie sich schnell für jemanden entschieden, der Ahnung vom Frauenfußballmarkt hat und sie wertschätzt", erzählt Çović in dem Interview.

Die Verhandlungskultur bei Transfers könnte sich ändern, falls die neuen Berater wie Jorge Mendes die Logik des Männerfußballs eins zu eins auf ihr neues Feld übertragen wollen. Es ist nur ein Bereich, in dem gerade rasante Veränderungen zu spüren sind - aber einer, der die Spielerinnen besonders betrifft und so manche Mechanismen des Sports verändern kann.

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