Carl Zeiss Jena zurück in der Frauen-Bundesliga: Mehr als eine Fahrstuhlmannschaft?

By Helene Altgelt

Die Landkarte derFrauen-Bundesliga hat sich verändert, wie alle Jahre wieder: zwei rauf, zwei runter. Dieses Jahr gibt es eine Besonderheit: Mit Carl Zeiss Jena und Turbine Potsdam sind gleich zwei ostdeutsche Vereine in die höchste Spielklasse aufgestiegen - zuvor war nur Leipzig vertreten. Potsdams Aufstieg kam etwas überraschend, denn viele hatten damit gerechnet, dass sich der Klub von dem desaströsen Abstieg 22/23 und internen Problemen nicht mehr erholen würde.

Aber die Turbine stieg als Meister auf - vor Carl Zeiss Jena, die am letzten Spieltag lange bangen mussten, bis dann der Aufstieg feststand. Eigentlich war aber damit zu rechnen gewesen, dass Jena es mal wieder packt: In Thüringen sind sie Aufsteigsspezialistinnen.

Wobei sich das nicht auf Carl Zeiss bezieht, sondern den Vorgängerverein: Der FF USV Jena war 2018 nach zehn Jahren aus der Bundesliga abgestiegen. Danach ging es runter, hoch, viel stand auf dem Spiel: Nur dank des Aufstiegs wurde 2019 die Insolvenz abgewendet. Der Balanceakt ging nicht lange gut, und 2020 übernahm dann Carl Zeiss Jena die Lizenz.

Das Muster setzte sich aber fort: 2021 wieder aufgestiegen, 2022 abgestiegen. Nun gelang Jena der erneute Wiederaufstieg. Wie stehen die Chancen, dass es ausnahmsweise mehr als ein kurzes Intermezzo wird?

Finanzielle Schieflage: Geht Jenas Kalkül auf?

Die Vorzeichen für die nächste Saison sind nicht ideal. Jena, dessen Männer in der Regionallliga spielen, schlägt sich mit wiederkehrenden Finanzproblemen herum. Der Aufstieg in die Bundesliga ist für den klammen Klub kein Sonntagsspaziergang gewesen: Noch nach der sportlichen Qualifikation war derAufstieg nicht in trockenen Tüchern, weil Jena noch die Lizenzauflagen des DFB erfüllen musste und dazu noch mehr Geld mobilisieren musste.

Laut der Thüringischen Allgemeinen soll der Aufstieg helfen, mehr Geld in die Kasse zu spülen. Insgesamt soll es aus Fernseheinnahmen und Werbung etwa 750.000 Euro für jedenFrauen-Bundesligisten geben, über die sich dann auch Jena freuen kann. Der Klub wolle weniger Geld zuschießen als noch in der letzten Saison.

Ob Jena unter diesen Bedingungen aber sportlich wettbewerbsfähig sein kann, scheint fraglich. Denn eine starke sportliche Leistung mit einem ausgeglichenen Budget zu vereinen, das hat in den letzten Jahren nur ein Klub geschafft: Die SGS Essen, die als einziger Verein keine roten Zahlen schrieb und dazu stets im Mittelfeld der Liga rangierte. Essen ist jedoch ein Einzelfall: Die Rechnung geht dank spezieller Bedingungen im Ruhrgebiet, einem über die Jahre aufgebautem Scouting-Netzwerk, guten Perspektiven für die Spielerinnen und sehr solider Arbeit auf.

All das hat Jena noch nicht. Wirtschaftlich ausgeglichen zu agieren ist daher wohl illusorisch - aber auch wenn der Klub nur versucht, nah an dieses Ideal heranzukommen, müssen Abstriche gemacht werden. Durchschnittlich machten die Vereine der Frauen-Bundesliga rund 1,5 Millionen Euro Verlust pro Saison, die dann der Klub durch andere Einnahmen deckte.

An allen Ecken und Enden wird investiert, viele Vereine verbessern aktuell ihre Infrastruktur und stellen sich für die Zukunft besser auf. Es ist wohl keine allzu starke These, dass das bei Jena erstmal nicht möglich sein wird, wenn der Sparkurs gefahren wird. Trotz Mehreinnahmen durch TV-Geldern wird es schon rein sportlich durch die Verpflichtung neuer Spielerinnen genug neue Ausgabenposten geben.

Große Veränderungen eher nicht zu erwarten

Bisher konnte Jena viele Verträge verlängern, unter anderem den von Aufstiegstrainer Florian Kästner. Kästner kam erst zu dieser Saison nach Thüringen und machte prompt die erneute Rückkehr in die Bundesliga klar. Ein Muss war dieser Aufstieg nicht - auch wenn die Sportliche Leiterin Isabelle Knipp schon nach dem letzten Abstieg gesagt hatte, dass der Verein irgendwann wieder nach oben schielen wolle.

Früher Spielerin, jetzt Sportliche Leiterin: Isabelle Knipp | Boris Streubel/GettyImages

Das Team aus der 2. Liga kann wohl größtenteils zusammengehalten werden, dazu wurde über einen prominenten Transfer spekuliert: Von der Bild wurde Ex-Nationaltorhüterin Almuth Schult mit dem Klub in Verbindung gebracht - es wäre ein Ausrufezeichentransfer, der laut MDR allerdings eher unwahrscheinlich ist.

So wird Jena wohl eher mit einem ähnlichen Team in der Bundesliga antreten und sich punktuell verstärken. Ob das reicht? Dazu hilft ein Blick in die Geschichtsbücher: Traditionell hatten die Aufsteiger es sehr schwer, konnten vor allem in Ausnahmefällen und mit großer Unterstützung des Vereins (Leipzig, Leverkusen) die Klasse halten.

Lücke zwischen den Ligen kleiner geworden - aber Konkurrenz wächst

Allerdings ist die Lücke zwischen den beiden Ligen in letzter Zeit geringer geworden. Auch der 1. FC Nürnberg wurde vor der Spielzeit 2023/24 oft als chancenloser Underdog eingeschätzt, weil die Franken ähnlich wie Jena nicht souverän durch die 2. Liga marschiert waren und dazu Verletzungspech hatten. Letztendlich schlug sich Nürnberg aber sehr gut, bis zum Schluss war der Klassenerhalt möglich.

Bei einer guten Kaderzusammenstellung wäre so ein Szenario wohl auch für Jena möglich. Trotzdem stellt sich die Frage, wo der Klub langfristig hinwill. Wenn der Sparkurs weitergefahren wird, kann nicht für die Zukunft investiert werden - und ohne solche Veränderungen bei Infrastruktur und Staff wird es schon bald schwierig sein, auch nur ein Fahrstuhlklub zu sein.

Gerade erst sind Union Berlin und der VfL Bochum in die 2. Bundesliga aufgestiegen. Die Konkurrenz wird immer größer. Dass sich Jena vor diesem Hintergrund langfristig in der obersten Spielklasse etablieren kann, scheint unwahrscheinlich - es sei denn, eine abrupte Kehrtwende in der Strategie folgt.

Dieser Artikel wurde ursprünglich auf 90min.com/DE als Carl Zeiss Jena zurück in der Frauen-Bundesliga: Mehr als eine Fahrstuhlmannschaft? veröffentlicht.