EU-Gipfel: Kein Durchbruch | Keine Zeit für machtpolitische Spielchen

EU-Gipfel ohne Ergebnis

Wieder droht ein zähes Geschacher

Ursula von der Leyen: Die EU-Kommissionspräsidentin muss weiter auf eine Einigung im EU-Rat warten. (Quelle: M. Popow/imago-images-bilder)

Ursula von der Leyen: Die EU-Kommissionspräsidentin muss weiter auf eine Einigung im EU-Rat warten. (Quelle: M. Popow/imago-images-bilder)

Emmanuel Macron und Olaf Scholz wollten die Spitzenposten in der EU wohl schnell durchwinken. Aber nach der Wahl zeigt sich erstmals, dass sich die Machtverhältnisse in der EU verschoben haben. Jetzt droht weiteres Postengeschacher.

Eigentlich sollte es schnell gehen: Hinter vorgehaltener Hand hieß es sogar, dass die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union ihren Gipfel bis 21 Uhr beenden wollten – pünktlich zum Anpfiff des Fußballspiels zwischen Frankreich und Österreich.

Doch daraus wurde nichts: Während der Ball rollte, saßen die 27 Staatenlenker der EU immer noch zusammen und verhandelten darüber, wer in den kommenden fünf Jahren die Spitzenämter in der EU bekleiden soll: das des Präsidenten der Kommission, der Präsidentschaft im EU-Rat und das Amt des Außenbeauftragten.

Die Zeit läuft

Der Abend endete ohne konkretes Ergebnis. Statt einer raschen Einigung droht jetzt wie bei der letzten EU-Wahl wieder ein zähes Verhandeln um Posten, Namen und um Macht.

Dass die schnelle Lösung ausgeblieben ist, ist ein Zeichen dafür, dass sich die Machtverhältnisse innerhalb der EU durch die Europawahl verändert haben. Vor allem Scholz und auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron – als wichtigste Vertreter der Sozialdemokraten und Liberalen in Europa – fuhren historisch schlechte Wahlergebnisse ein.

Die konservative EVP um Kommissionschefin Ursula von der Leyen sieht sich dagegen durch ihren Wahlsieg im Aufwind. Obwohl der Durchbruch gestern ausblieb, dürfte die CDU-Politikerin nach wie vor als Chefin der Kommission gesetzt sein. Doch aus ihrem Wahlsieg hat die EVP gestern unerwartet einen weiteren Machtanspruch abgeleitet: Sie will auch für zweieinhalb Jahre den Präsidenten im Europäischen Rat stellen – und damit die eigentlich vorgesehene fünfjährige Amtszeit des Sozialdemokraten António Costa halbieren. Daran soll vor allem die Einigung am gestrigen Abend gescheitert sein.

Was will Meloni?

Die EVP will deutlich machen: Wir sind der Wahlsieger, die Ansagen machen wir. Doch allzu selbstsicher sollte sich das Konservative Lager nicht präsentieren. Von der Leyen muss nach der Zustimmung im Rat noch mit absoluter Mehrheit im EU-Parlament gewählt werden. Dafür wird sie wohl auch Stimmen der Grünen oder die der rechten EKR brauchen. Den Ton geben dort die polnische PiS und die italienischen Fratelli d'Italia von Giorgia Meloni an.

Doch die Italienerin soll mit den gestrigen Gesprächen unzufrieden gewesen sein: Sollte sich von der Leyen tatsächlich auf die Stimmen aus dem Meloni-Lager verlassen wollen, werden wohl in den kommenden Wochen auch weitere Zugeständnisse nötig sein – etwa ein prestigeträchtiger Posten für den kommenden italienischen EU-Kommissar und die Vizepräsidentschaft in der Kommission. Statt der erhofften schnellen Lösung könnten damit weitere komplizierte Verhandlungen verbunden sein.

Auf der Strecke bleiben bei all diesen Machtfragen allerdings die inhaltlichen Herausforderungen, vor denen die EU weiter steht. Die 27 Staaten sind einer der wichtigsten Unterstützer der Ukraine im Kampf gegen Russland. Je nach Ausgang der Präsidentschaftswahl in den USA könnte diese Bedeutung noch zunehmen. Europa will als Vorzeigeregion in der Welt demonstrieren, dass wirtschaftliche Stärke mit Klimaschutz vereinbar ist – und das alles unter Wahrung von Freiheit und Demokratie. Machtpolitische Spielchen um die wichtigsten Posten kann man sich da eigentlich nicht leisten.

Verwendete Quellen:

  • Eigene Recherche

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