Die Fußball-EM wird die deutsche Wirtschaft nicht aus der Stagnation holen

Schottische Fans in München ©Markus Schreiber/AP

Trotz der großen Erwartungen und der Millionen von ausgabefreudigen Fans sind sich Experten einig, dass die Fußball-Europameisterschaft die deutsche Wirtschaft nicht aus der jahrelangen Stagnation herausholen kann.

Laut einem Sportökonomen der Universität Köln zeigen Untersuchungen, dass ähnliche Sportereignisse im Großen und Ganzen nur einen geringen wirtschaftlichen Einfluss haben und sich sogar negativ auswirken können.

"Die Rolle des Substitutionsmechanismus ist wichtig. Das bedeutet, dass die Menschen nicht unbedingt mehr Geld ausgeben, sie geben es nur anders aus. Während sie normalerweise ins Kino oder ins Theater gehen, geben sie ihr Geld jetzt bei den Spielen, in Bars oder bei Grillabenden zu Hause aus", erklärt Jonas Froch.

Die UEFA macht einen großen Schnitt mit dem Turnier

Zu einem ähnlichen Schluss kam das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. Der Leiter des Instituts sagte gegenüber Reuter's, dass die Leute wegen der Europameisterschaft zwar einen neuen Fernseher kaufen, das Geld aber an anderer Stelle sparen. Der Konsum nimmt also nicht zu, sondern wandelt sich.

Das bedeutet natürlich nicht, dass niemand davon profitiert. Die UEFA zum Beispiel kann mit einem Gewinn von anderthalb Milliarden Euro rechnen, und auch die Gesellschaft kann von dem Turnier profitieren. Eines der besten Beispiele dafür war die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland, deren Folgen von Ökonomen eingehend analysiert wurden.

"Es kann immaterielle Auswirkungen geben: Die Lebensqualität der Menschen kann sich verbessern, der soziale Zusammenhalt und die Moral können steigen. Dieser Effekt war bei der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland besonders ausgeprägt. Es gibt Studien, die den 2006 entstandenen immateriellen Werten einen Wert von 800 Millionen Euro zuschreiben. Und das ist ungefähr der Betrag, den ein Organisationskomitee für eine solche Veranstaltung ausgeben muss", so Froch.

Gastronomen und Beherbergungsbetriebe profitieren

Vier der zehn Austragungsstädte der EM liegen im und am Ruhrgebiet. Das Gebiet war einst das Zentrum der deutschen Schwerindustrie, die sich aber seit der Krise der Kohle- und Stahlindustrie in den 1970er Jahren zunehmend auf Dienstleistungen verlagert hat. Auch einige der ungenutzten Industriekomplexe haben neue Nutzungen gefunden.

Ein Symbol für den Wandel des Ruhrgebiets ist die Zeche Zollverein in Essen, die 1986 geschlossen wurde und heute zum UNESCO-Welterbe gehört. Heute spazieren Touristen, laufen und radeln Einheimische und arbeiten sogar zwischen den riesigen, rostigen Gebäuden, in denen in einigen Hallen Büros untergebracht sind. Die Bedeutung des Fußballs ist hier ebenfalls deutlich zu erkennen, denn die Gegend ist mit Aufklebern der lokalen Mannschaften übersät.

Das Gebiet ist nach wie vor ein sehr wichtiges Zentrum der deutschen Wirtschaft. Und der Zustrom von Touristen kommt den örtlichen Gastronomen und Beherbergungsbetrieben zugute.

"Wir geben hundert bis hundertfünfzig Pfund pro Tag aus. Wir trinken viel, wir essen gut. Wir amüsieren uns gut, also ist es in Ordnung", sagte ein schottischer Fan.

Die Hotelzimmerpreise sind wegen der Euro um ein Vielfaches gestiegen. In den letzten Tagen haben wir ungarische Fans getroffen, die keine bezahlbare Unterkunft finden konnten und schließlich in ihrem Auto schliefen.

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