Waschbär-Plage in Kassel: Wie sind die Tiere in die Stadt gekommen?

Eine Waschbär-Mama und sein Jungtier sitzen auf einem Baum.

Mit ihren großen, dunklen Augen und neugierigen Blicken erobern Waschbären schnell die Herzen von Tierliebhaber:innen. Ihre kleinen, geschickten Pfoten und der buschige, geringelte Schwanz machen sie noch putziger.

Waschbären sind pelzig und süß – doch sie sind auch ein Problem. Allen Städten voran in Kassel, "Europas Hauptstadt für Waschbären".

Kassel leidet unter Waschbär-Plage: Tiere vermehren sich drastisch

Inzwischen haben die Kleinbären die gesamte Stadt erobert. In Kassel sollen nach Angaben von "National Geographic" etwa 100 Exemplare auf einem Hektar leben. Zum Vergleich: in anderen deutschen Städten sind es maximal vier Tiere pro Hektar.

Mittlerweile kann in Kassel von einer Invasion "auf vier Pfoten" die Rede sein. Erst kürzlich kursierte ein Video auf TikTok. Zu sehen sind weit mehr als 20 umherstreifende Waschbären, die sich zu später Stunde auf einer Nebenstraße in Kassel tummeln. Erst als sie durch das Scheinwerferlicht eines entgegenkommenden Autos geblendet werden, räumen die Waschbären die Straße und verstecken sich unter einem parkenden Kleinwagen.

Nicht nur in Kassel, auch in Brandenburg, Niedersachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz haben sich Waschbären ausgebreitet. Schätzungsweise gibt es deutschlandweit über eine Million Waschbären. Aber wie sind die Tiere in die Stadt gekommen?

So kam der Waschbär nach Deutschland

Der Ederstein in Hessen gilt als berüchtigter Tatort für die Invasion der Waschbär-Population, da sind sich die Fachleute einig. Im Jahr 1934 habe dort ein Pelztierzüchter zwei Waschbärenpaare ausgesetzt. Im Laufe der Jahre haben sich die pelzigen Kleinbären vermehrt und sind schließlich zur Plage geworden.

Auch weil im Jahr 1945, zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, eine Bombe in einer Pelztierfarm eingeschlagen ist. Dadurch konnten Dutzende Waschbären entkommen und sich in den umliegenden Wäldern Brandenburgs verbreiten, so der Mythos.

Waschbären aus Nordamerika werden zur invasiven Spezies

Die anpassungsfähigen Kleinbären gelten laut EU-Verordnung als invasive Spezies. Waschbären stammen ursprünglich aus Nordamerika, aber fühlen sich auch in deutschen Wäldern und Städten pudelwohl.In Europa besitzen sie kaum natürliche Feinde, sodass sie sich unbeschwert vermehren können.

Doch genau deswegen werden die pelzigen Tiere zum Problem.

Jagdverband besorgt: Waschbären bedrohen heimische Artenvielfalt

Waschbären stehen in Deutschland zwar nicht unter Artenschutz, unterliegen aber in allen Bundesländern dem Jagdrecht – mit Ausnahme von Bremen und Saarland.

Der Jagdverband sieht in der Invasion der Waschbären eine Gefahr für heimische Arten. So werfen die begnadeten Kletterer gerne Jungvögel aus ihren Nestern und vertilgen Unmengen an bedrohten Amphibien und Reptilien.

Auch eine Untersuchung des Verbundprojekts Zowiac kam zu dem Schluss, dass Waschbären vor allem den Bestand von Grasfröschen, Erdkröten und Gelbbauchunken bedrohen. "In einem Naturschutzgebiet in Osthessen wurden in einer Stunde über 400 gehäutete Kröten gezählt – ein wirklich deprimierender Rekord", sagt Timo Spaniol vom Naturschutzbund Deutschland gegenüber "National Geographic".

Doch warum werden die kleinen Vierbeiner nicht stärker bejagt?

Meldung

Maßnahmen zwecklos: Waschbären vermehren sich drastisch

In der Jagdsaison 2022 haben Jäger:innen in Niedersachsen insgesamt 23.322 Waschbären erschossen. Trotz der Unmengen toter Tiere ist diese Art der Bestandsreduzierung zwecklos. Die Stadt Kassel erklärt selbst auf ihrer Internetseite:

"Je mehr Waschbären getötet werden, umso mehr Jungtiere kommen nach. Die vielen Jungtiere machen aber unter Umständen mehr Probleme als die Alten, und die Gefahr einer Ausbreitung von Krankheiten und Parasiten wird durch die abwandernden Jungtiere erhöht statt vermindert."

Denn Waschbären gefährden nicht nur die heimische Fauna, sondern stellen auch für den Menschen eine Bedrohung dar. Sie gelten als Überträger von Krankheitserregern oder Tollwut, sowie als Einbrecher, der Wohnungen oder Autos verwüstet.

Um die Plagegeister aus den eigenen vier Wänden zu vertreiben, bietet die Stadt Kassel einen Service an, der die Waschbären mithilfe einer Lebendfalle einfängt.