Gaza-Krieg: 24 Euro pro Zigarette – Kampf um Tabak wird immer erbitterter

Zigaretten sind im Gazastreifen mittlerweile so wertvoll wie Gold.

Der Krieg in Nahost fordert zahlreiche Opfer. Seit Israel den Gazastreifen nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober unter Beschuss nimmt und auch in die Enklave einmarschiert ist, ist die Lage dort noch dramatischer. Die Verteilung der Hilfsgüter bleibt eine der größten humanitären Herausforderungen im Krieg in Gaza.

Dort sind laut UN-Expert:innen Hunger und Unterernährung weit verbreitet. Die Haupt-UN-Agentur in Gaza meldete, dass im Mai 1.656 Lastwagen mit Hilfsgütern in die Enklave gelangten, in der ersten Junihälfte waren es nur noch 460. Vor dem Krieg erreichten täglich etwa 500 Lastwagen mit Handelsgütern den Gazastreifen, zusätzlich zu 100 Lastwagen mit humanitärer Hilfe.

Im Gazastreifen spielt sich neben der humanitären Katastrophe eine weitere dramatische Entwicklung ab: Zigaretten sind dort mittlerweile so wertvoll wie Gold, wie ein aktueller Bericht zeigt. Es kommt deshalb immer häufiger zu Überfällen auf Hilfskonvois.

Zigarettenpreise im Gazastreifen sind in die Höhe geschnellt.

Gazastreifen: Zigarette kostet mittlerweile bis zu 24 Euro

Eine Gruppe palästinensischer Männer forderte erst vergangene Woche den Zugang zu einem Lagerhaus der Vereinten Nationen im Zentrum von Gaza. Ihr Ziel: nicht Nahrung oder Medizin, sondern geschmuggelte Zigaretten, die in den Hilfsgütern versteckt waren. Dies berichtete ein UN-Beamter dem "Wall Street Journal" (WSJ).

Dieser Zwischenfall verdeutlicht dem Bericht zufolge eine ernsthafte Behinderung der Hilfslieferungen in die Enklave. Der Schmuggel von Zigaretten, der durch die extrem hohen Tabakpreise angeheizt wird, verdeutliche außerdem den Zusammenbruch von Recht und Ordnung.

Im isolierten Gazastreifen kann eine Zigarette bis zu 25 Dollar, also umgerechnet etwa 24 Euro, kosten. Dies hat zu einem extrem profitablen Schwarzmarkt geführt. Die Preise stiegen, nachdem Israel die Einfuhr nach Gaza auf lebensnotwendige Güter beschränkt hatte.

Rafah: Ein humanitärer Hilfskonvoi für den Gazastreifen steht am Grenzübergang in Ägypten.

Diese Maßnahme folgte den Anschlägen vom 7. Oktober, bei denen Hamas-Kämpfer in den Süden Israels eingedrungen und etwa 1.200 Menschen getötet hatten. Nach Angaben der palästinensischen Gesundheitsbehörden starben im darauffolgenden Krieg mehr als 37.000 Palästinenser:innen.

Medizin, Nahrung, Zigaretten: Hilfe kommt kaum noch an

Lebensrettende Hilfe komme kaum noch an. Auch nach Angaben von UN- und israelischen Beamten sind Hilfslastwagen und Lagerhallen zu Zielen für Schmuggler:innen geworden. Andere Kriminelle attackieren ebenfalls Fahrzeuge, in denen sie Zigaretten vermuten.

Monatelang konnten dem "WSJ"-Bericht zufolge Zigaretten heimlich über den Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und Gaza geschmuggelt werden, der von den Hamas-beherrschten Behörden kontrolliert wird. Nachdem die israelischen Streitkräfte am 6. Mai die Kontrolle übernommen hatten, wurde dieser Weg blockiert. Die Schmuggler:innen fanden jedoch eine neue Route über den Grenzübergang Kerem Shalom zwischen Israel und Gaza. Hier konnten sie allerdings nicht wie in Rafah Lastwagen zur Seite ziehen, um ihre Schmuggelware abzuladen.

April 2024: Ein Flugzeug wirft humanitäre Hilfe über dem Gazastreifen ab.

Gazastreifen: Hilfsorganisationen berichten von großer Gefahr

Die kriminellen Angriffe auf Hilfskonvois haben laut "WSJ" dazu geführt, dass über tausend Lastwagenladungen mit Hilfsgütern auf der Gaza-Seite des Grenzübergangs Kerem Shalom zurückgelassen wurden. Selbst tägliche Kampfpausen entlang einer wichtigen Versorgungsroute konnten die Hilfsorganisationen nicht dazu bewegen, Lieferungen zu verschicken.

Sie berichten, dass neben dem Zigarettenschmuggel auch andere Probleme die Verteilung der Hilfsgüter behindern: Israel beschränke den Fluss der Hilfsgüter, und die Zerstörung von Straßen und Infrastruktur mache es schwierig, die Hilfe sicher zu verteilen.

Einige Hilfsorganisationen zögern mittlerweile, ihre Mitarbeitenden in Gefahr zu bringen. Ein UN-Beamter berichtete der Zeitung von einem Vorfall, bei dem bewaffnete Männer ein UN-Lagerhaus durchsuchten und geschmuggelte Zigaretten fanden.

Nahost-Krieg: Zigaretten als Stigma im Gazastreifen

Die Schmuggler sind einfallsreich. Sie verstecken Zigaretten in ausgehöhlten Wassermelonen oder packen sie in legale Waren ein. Ein Palästinenser, der mit den Schmuggeloperationen vertraut ist, erklärte dem "WSJ": "Die Israelis führen gründliche Kontrollen bei einigen ausgewählten Kisten durch, können aber unmöglich jede einzelne Packung, Kiste oder jeden einzelnen Karton prüfen."

Das Bild stammt aus dem Oktober 2023. Mittlerweile wird im Gazastreifen öffentlich kaum noch geraucht.

Im Gazastreifen wird offenbar mittlerweile nicht mehr in der Öffentlichkeit geraucht. Wer es sich leisten kann, rauche im Privaten. Ein 66-jähriger Bewohner von Deir al Balah verdeutlichte, wie wertvoll die Zigaretten mittlerweile in der Enklave geworden sind: "Jeder, der eine Zigarette im Wert von mehr als 10 Dollar raucht, schämt sich sicherlich, seinen Kindern sein Gesicht beim Rauchen zu zeigen", sagte Abu Suleiman dem Blatt.