Bewegung für die Seele: Wie Hot Yoga und Laufen mir halfen, mehr auf mich zu achten

Yoga ist eine gute Möglichkeit, um innere Ruhe zu spüren.

Laufen und Yoga in Kombination, so sagen es auch Wissenschaftler:innen, ist die Zauberformel für eine nachhaltig gesunde Mental Health. Unser Kolumnist unterschreibt das sofort – und erzählt vom Moment, der ihn umdenken ließ.

Es war dieser Moment mit Tim, der bei mir nachhaltig gewirkt hat, der meine Einstellung zum Yoga wirklich veränderte. Tim war leidenschaftlicher American-Football-Spieler, bevor man bei ihm einen Herzfehler entdeckte. Heute läuft er lieber, und zwar mit einem Herzschrittmacher. Tim ist groß, Tim hat die Ausstrahlung eines Mannes, der Berge zerquetschen kann, und gleichzeitig wohnt in ihm eine sehr sanfte und liebe Seele.

Leider sehe ich ihn zu selten, ich vermisse das Laufen in einem wundervollen Naturschutzgebiet in Hamburg mit ihm. Es ist eine 10-Kilometer-Runde, die meist viel zu schnell durch ist, weil wir uns so viel zu erzählen haben. Läufe mit Tim waren immer Seelen-Läufe. Hinterher fühlte ich mich ausgeruht, clean, glücklich, erfüllt. Seine Frau ist Yoga-Lehrerin. Nach einem Lauf mit Tim schenkte sie mir einen Gutschein für zwei Yoga-Stunden mit ihr. Ich freute mich sehr, konnte mir aber unter "Hot Yoga" so gar nichts vorstellen. Aber ich war angefixt.

"Mach das mal, Mike. Danach bist du im Arsch. Aber richtig im Arsch. Das ist nichts für zarte Läufer, das sag ich dir", lachte Tim. Er selbst war zu dieser Zeit bereits von Hot Yoga infiziert, und wenn er bei 40 Grad ganze 90 Minuten Yoga durchhielt, dann musste ich es auch schaffen. Für mich musste Sport damals knallen. Ich lief fast jeden Tag 18 bis 20 Kilometer, die ich einfach ballerte. Die Kombi mit Yoga war auch da schon sehr angesagt, und Tim kannte mich: Wenn schon Yoga, dann musste es heftig sein.

Laufen, aber ohne zu ballern: Das geht. Und es tut so gut!

Hot Yoga: bis die Luft wegbleibt

Ich löste den Gutschein ein und betrat den Yoga-Raum, der auf 40 Grad vorgeheizt war. Vorsichtig setzte ich mich in den Backofen, direkt neben Jessy. Sie war Polizistin und arbeitete in einer Sondereinheit. Gefühlt zwei Prozent Körperfett, durchtrainiert, und sehr sicher würde sie gleich sehr viel zu lachen haben. Nach 40 Minuten schaute sie mich mitleidig an und sagte: "Ich komm mit raus und kümmer mich." Ich musste abbrechen.

Diese 40 Minuten Hot Yoga waren gefühlt so anstrengend wie ein Marathon in der Wüste. Jessy brachte mir Wasser, ich fühlte mich lausig. Ihren Blick werde ich nie vergessen. Nie. Okay, ich hatte meine Lektion gelernt und genoss doch den Effekt der Yoga-Einheit, nachdem sich mein Puls beruhigt hatte, nachdem ich meinen Körper wieder fühlen konnte. Irgendwas hatte diese krasse Form des Yoga in mir ausgelöst. Ich empfand etwas wie innere Ruhe. Ich bin Jessy bis heute dankbar, dass sie sich sehr liebevoll um mich kümmerte. Sie verurteilte mich nicht, sie war eher in Sorge. Das half mir zuzulassen, dass mein Körper diese innere Ruhe aufsog wie ein Schwamm. Ich merkte deutlich, dass mir genau das fehlte: Ruhe. Innere Ruhe.

Und so buchte ich, nachdem ich den Gutschein aufgebraucht hatte, eine Zehnerkarte. Nach und nach arbeitete ich mich nach vorn und spürte immer mehr, was die Yoga-Einheiten mit mir machten. Sie erdeten mich. Die Übungen sorgten dafür, dass ich jeden Millimeter meines Körpers wahrnehmen konnte. Ich spürte in Stellen hinein, die augenscheinlich zu meinem Körper gehörten, die ich jedoch "vergessen" hatte.

Allein das intensive Atmen sorgte manchmal dafür, dass mir die Tränen kamen, ohne zu wissen, warum. Ich konnte endlich loslassen. All die negative Energie, all das, was mich belastete, und das enorme Schwitzen hatten zudem einen unfassbaren Effekt: Ich hatte das Gefühl, dass alles Giftige meinen Körper verließ. Das war der erste Schritt, achtsamer mit mir und meinem Körper zu sein.

Es geht auch ohne Ballern: achtsames Laufen als Yoga-Ergänzung

Oft habe ich gesagt, dass das Laufen meine Meditation ist. Und deshalb mag ich es, regelmäßig zu laufen. Achtsames Laufen hat nichts mit einem normalem Run zu tun, es sieht auch nicht unbedingt danach aus. Es ist nicht nur langsamer, wer achtsam läuft, macht eventuell zwischendurch eine kleine Pause. Man bleibt stehen, atmet durch, bis sich der Puls beruhigt hat, macht ein paar Dehnübungen und läuft dann weiter. Es darf Gehpausen geben, während denen man einfach nur ganz bewusst und tief atmet. Kleine, schnellere Schritte sind wichtig, denn sie nehmen den Druck von den Gelenken.

Ein achtsamer Lauf muss nicht lang sein. Schon fünf Kilometer reichen aus. Dabei hört man immer wieder in den Körper hinein oder den Bienen und Vögeln zu. Man nimmt sich die Zeit, Gedanken schweifen zu lassen, oder schüttelt den Tag ab. Achtsames Laufen ist dazu da, sich wieder neue Energie zu erlaufen. Man powert sich nicht aus bis zum Maximalpuls. Es ist ein Lauf, der alleine dazu da ist, unsere Gesundheit zu stärken. Achtsames Laufen ist nicht einfach nur stumpf der nächste Punkt auf der täglichen To-do-Liste.

Meldung

Aber wie gesagt, erst das Hot Yoga hatte mich auf eine andere Spur gebracht! To-do-Listen können das Leben erleichtern, das kennt jeder von uns. Jedoch nicht, wenn sie in unserem Kopf bleiben und scheinbar nicht enden wollen. Dann nämlich kommt man selbst in Entspannungssituationen nie wirklich zur Ruhe und dieser "mental load" macht auf Dauer krank. Das Laufen kann ein Mittel dagegen sein, genauer gesagt das achtsame Laufen. Würde man rennen, wäre man noch mehr unter Stress. Und den gilt es schließlich zu reduzieren.

Erschreckend ist für mich, dass man oft gerade unter Läufer:innen komisch angeschaut wird, wenn man nicht mit anderen um die Wette läuft. Wenn man sich outet, dass man Achtsamkeit jeden Tag (aus)lebt. Wenn man den Lauftreff absagt, weil man weiß, dass dort wieder nur gebolzt werden würde. Schon gar nicht ist man in meinem Fall kein Mann oder "richtiger Läufer". Im Gegenteil. Vielleicht sollten wir langsam einmal unsere Rollenbilder überdenken. Und wofür was steht. Ich kann nur jeden dazu ermutigen, mehr für sich zu tun. Für Körper und Seele. Dafür muss man sich nicht schämen. Dafür sollte man sich nie entschuldigen müssen!

Auch nicht dafür, nach 40 Minuten beim Hot Yoga aufzugeben.