Nach Tor gegen die Schweiz: Warum Füllkrug von Beginn an spielen sollte - Ein Kommentar

By Hendrik Gag

Am Ende wehte dann doch noch ein Hauch von Sommermärchen durch das Frankfurter Waldstadion: Lange hatte sich die deutsche Mannschaft gegen die Schweiz schwergetan, bevor Niclas Füllkrug den erlösenden Ausgleich in der Nachspielzeit erzielte. Das späte 1:1 erinnerte an das Tor von Oliver Neuville gegen Polen bei der Heim-WM 2006, das gemeinhin als Startschuss für das Fußballfest gilt, auf das viele deutsche Fans gerne zurückschauen.

Vor dem Achtelfinale sollte jedoch eher der Vergleich zu zwei anderen Turnieren gezogen werden - den beiden letzten Großevents, bei denen die DFB-Elf ein K.o.-Spiel gewinnen konnte: der WM 2014 und der EM 2016.

Bei beiden Turnieren gab es Spiele, in denen die deutsche Mannschaft - wie gegen die Schweiz - gegen einen Außenseiter Probleme hatte. 2014 war es zunächst das 2:2-Remis gegen Ghana und dann vor allem das Achtelfinale gegen Algerien, das mit 0:0 in die Verlängerung ging (2:1 n.V.). 2016 blieb das Gruppenduell mit Polen torlos. Trainer Jogi Löw reagierte jeweils mit personellen Wechseln.

Mittelstürmer brachten Trendwende

In beide Turniere war Deutschland mit einer falschen Neun gestartet, nach den schwachen Leistungen beendete Löw das Experiment und setzte fortan auf einen echten Neuner. 2014 rückte Miroslav Klose nach dem Achtelfinale in die erste Elf, 2016 Mario Gomez. Große Namen, zum Zeitpunkt der Turniere waren beide jedoch über ihren Zenit hinaus.

Klose war 36 Jahre alt und hatte in der abgelaufenen Saison sieben Tore in 25 Serie-A-Einsätzen für Lazio erzielt. Gomez war 2016 nach einer erfolglosen Station bei der Fiorentina in der türkischen Süper Lig bei Besiktas angekommen. Dennoch hatten beide Stürmer sofort einen positiven Effekt auf das deutsche Spiel. Alleine die Präsenz eines Neuners schaffte Freiräume für die Mitspieler, die Angriffe waren nicht mehr so ausrechenbar.

2014 gewann die deutsche Mannschaft in der Folge des Sinneswandels den Titel. 2016 vergab das Team im Halbfinale gegen Gastgeber Frankreich zahlreiche Chancen und schied mit 0:2 aus. Gomez fehlte, er hatte sich im Viertelfinale einen Muskelfaserriss zugezogen. Zuvor hatte der Stürmer mit zwei Treffern bei den Siegen gegen Nordirland und der Slowakei überzeugt sowie das 1:0 beim ersten deutschen Turniersieg gegen Italien mit einem klugen Pass eingeleitet.

Die Lektion: Ein echter Neuner verbesserte das deutsche Spiel, auch wenn kein Weltklasse-Stürmer zur Verfügung stand. Eine Erkenntnis, die sich auf das DFB-Team von 2024 übertragen lässt.

Füllkrug überzeugt bei der EM

Erneut startete die Mannschaft mit einer falschen Neun ins Turnier, Kai Havertz sollte sein gute Form vom FC Arsenal mit ins DFB-Team bringen. Ein nachvollziehbarer Gedanke von Bundestrainer Julian Nagelsmann, der jedoch bisher nicht aufgeht. Bis auf einen verwandelten Elfmeter im Eröffnungsspiel gegen Schottland blieb Havertz bislang weitestgehend blass. Niclas Füllkrug traf hingegen schon zweimal in gerade einmal 73 Minuten Einsatzzeit.

Der BVB-Profi bringt durch seine Kopfballstärke eine Komponente mit, die die Mannschaft ohne ihn vermissen lässt. Vor Füllkrugs Einwechslung wirkte die DFB-Elf zu fixiert darauf, sich durchs Zentrum kombinieren zu wollen, Flanken dagegen blieben wirkungslos. Die Schweizer Verteidigung wurde kaum auseinandergezogen, über die Flügel mussten die Eidgenossen kaum Gefahr für das eigene Tor erwarten. Das änderte sich mit der Hereinnahme Füllkrugs. Die deutschen Flanken hatten nun einen Abnehmer, Kai Havertz hatte zuvor mehrere Kopfball-Chancen kläglich vergeben.

Die neu gewonnene Option half der Mannschaft, so auch beim 1:1. Nach einer Flanke von David Raum stieg der ehemalige Bremer am höchsten und rette den Gruppensieg mit einem präzisen Kopfball. Zudem ist es nicht so, dass der Fokus auf das Kurzpassspiel, den Nagelsmann haben möchte, mit Füllkrug nicht mehr möglich wäre.

Füllkrugs Fähigkeit, sich in Kombinationsspiel einzuschalten, wird unterschätzt. In der abgelaufenen Bundesliga-Saison bereitete er acht Tore vor. Genauso viele wie Harry Kane, der als einer der besten mitspielenden Mittelstürmer der Welt gilt. Regelmäßig brachte er seine Mitspieler durch kluge Ablagen in Szene, eine Qualität, von der auch seine Mitspieler im DFB-Dress profitieren können.

Den Dortmunder von Beginn an aufzustellen würde also nicht zu einem spielerischen Qualitätsverlust führen. Gleichzeitig gibt er der DFB-Elf eine Variablität, die sie mit Havertz im Sturm nicht hat. Kurzum: Füllkrug in die Startelf würde der deutschen Mannschaft sehr gut zu Gesicht stehen.



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