Meloni beklagt "undemokratische" Verhandlungen über EU-Spitzenposten

Giorgia Meloni ist verärgert über ihre europäischen Kolleg:innen. ©Roberto Monaldo/LaPresse

Eine Einigung über die EU-Spitzenposten, die nach dem informellen Gipfel in der vergangenen Woche ohne Beteiligung Italiens erzielt wurde, hat bei Ministerpräsidentin Giorgia Meloni für Ärger gesorgt.

Von der Königsmacherin zur Ausgebooteten

Nach dem guten Abschneiden ihrer Fratelli d'Italia bei den EU-Wahlen galt Meloni eigentlich als Königsmacherin.

Die Ankündigung einer vorläufigen Einigung, die gestern von Vertreter:innen der Europäischen Volkspartei (EVP), der Sozialisten und der Liberalen ausgehandelt wurde, kam für die italienische Regierung aus heiterem Himmel.

Meloni hat die Auswahlmethode, "bei der einige wenige behaupten, für alle zu entscheiden", in ihrer heutigen Rede vor dem Parlament des Landes im Vorfeld eines entscheidenden EU-Gipfels offen angefochten.

"Kein echter Demokrat, der an die Souveränität des Volkes glaubt, kann es in seinem Herzen für akzeptabel halten, dass in Europa versucht wurde, über Spitzenpositionen zu verhandeln, noch bevor das Volk zur Wahl ging", sagte sie zu dem Verfahren.

Nach Ansicht der italienischen Ministerpräsidentin geht die jüngste Einigung gegen das Konsensverfahren, auf der die meisten Entscheidungen auf EU-Ebene beruhen, da sie "die politische Gegenseite und die Nationen, die als zu klein angesehen werden, um an den entscheidenden Tischen zu sitzen", nicht einbezieht.

Meloni: "Botschaft der Bürger nicht berücksichtigt"

Sie sagte, sie halte es für "surreal", dass während des informellen Treffens in der vergangenen Woche Namen für Spitzenpositionen als Ergebnis der Gespräche zwischen den Parteien vorgeschlagen wurden, "ohne auch nur den Anschein einer offenen Diskussion zu erwecken, die darauf beruht, wie sich die Bürger an den Wahlurnen entschieden haben".

"Ich habe den Eindruck, dass man bisher nicht bereit war, die von den Bürgern an den Wahlurnen übermittelte Botschaft zu berücksichtigen", fügte sie mit Blick auf den Inhalt der Vereinbarung hinzu.

Nach Melonis Ansicht hätten die EU-Bürger um einen Kurswechsel gebeten, indem sie die von den regierenden Kräften "in vielen der großen europäischen Nationen verfolgte Politik ablehnten, die auch sehr oft die Politik der Union in den letzten Jahren diktiert haben", sagte sie vermutlich in Anspielung auf Deutschland und Frankreich.

Meloni droht mit Stimmenthaltung

Im Europäischen Rat isoliert, erwägt Meloni italienischen Medienberichten zufolge nun eine dramatische Reaktion, bis hin zur Enthaltung von der endgültigen Entscheidung über die EU-Spitzenjobs. Eigentlich sollen im Europäischen Rat ab morgen die Posten offiziell besetzt werden.

Nach den EU-Verträgen kann eine solche Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden. Im Regelfall suchen die Staats- und Regierungschefs bei der Ernennung von Spitzenpositionen jedoch einen Konsens.

Melonis Stimmenthaltung könnte zu einer politischen Zersplitterung führen. "Die Entscheidungen hätten auf den morgen beginnenden Gipfel verschoben werden können, um einem EU-Gründungsmitglied mehr Respekt zu erweisen", sagten Quellen innerhalb der italienischen Regierung der italienischen Tageszeitung Corriere della Sera.

Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, der an den Gesprächen teilnahm, sollte Meloni angeblich über das Ergebnis informieren, doch laut La Stampa nahm sie den Hörer nicht ab. Andere Medien berichten, dass Kommissionschefin Ursula von der Leyen persönlich mit Meloni verhandeln wird, um die Unterstützung der Fratelli d'Italia im Europäischen Parlament für ihre Wiederernennung in einer für Mitte nächsten Monats angesetzten Plenarsitzung in Straßburg zu gewinnen.

Es wird erwartet, dass Italien im Gegenzug für seine Unterstützung für das Paket der Spitzenjobs eine Vizepräsidentschaft der Kommission und ein entsprechendes Ressort erhält. Beides stehe Italien allerdings ohnehin rechtmäßig zu, so Meloni.

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