"Es passiert jeden Tag": Chinas Geheimpolizei verfolgt Chinesen in der EU

Ein chinesisches Bürgerbüro in Ungarn. ©Anna Szilagyi/Copyright 2022 The AP. All rights reserved

Vor zwei Jahren deckte die Nichtregierungsorganisation "Safeguards Defenders" auf, dass China mehr als 120 illegale Polizeibüros in 53 Ländern der Welt betreibt, darunter rund 50 in der EU.

Diese Büros hatten die Aufgabe, chinesische Bürger zu überwachen, was die Befürchtung auslöste, dass Aktivisten verfolgt und schikaniert werden könnten. Peking behauptete, die Zentren seien dazu gedacht, seinen Staatsangehörigen den Zugang zu Verwaltungsdiensten zu ermöglichen.

Eine geheime Mission

Jetzt gibt es eine weitere schockierende Enthüllung: "Safeguard Defenders" hat ein 165-seitiges Dokument darüber erstellt, wie das chinesische kommunistische Regime seine eigenen Bürger zurück nach China zwingt. Es ist eine Geschichte darüber, wie das chinesische Regime seine eigenen Bürger entführt hat.

Laura Harth, eine der Autorinnen des Berichts, erklärte gegenüber Euronews, dass die Entführungen Teil "verdeckter polizeilicher Operationen" seien, bei denen Agenten mit speziellen Aufträgen ins Ausland geschickt würden.

"Die offizielle Methode beinhaltet in der Tat Entführungen", sagte Harth. "Die Bürger werden überredet, dorthin zurückzukehren, wo ihre Familienangehörigen sind, andernfalls werden sie kollektiv bestraft. Sie werden ihrer Rente beraubt, sie werden verhaftet."

Laura Harth veranschaulichte dies anhand eines konkreten Falles. Die Ermittlungen ihrer Organisation ergaben, dass chinesische Agenten einmal nach Madrid reisten, um sich mit Beamten des spanischen Justizministeriums zu treffen. Anschließend begaben sie sich in einer "zweiten, geheimen Mission" nach Barcelona, um einen Flüchtigen aufzugreifen, der zurück nach China gebracht wurde.

Der Bericht befasst sich mit den chinesischen Rückführungsaktionen der letzten zehn Jahre, bei denen internationale Auslieferungsverfahren umgangen wurde. Vor zehn Jahren startete China eine seiner bisher berüchtigsten Kampagnen: Die Operation "Fox Hunt" im Jahr 2014, der ein Jahr darauf die umfassende Operation "Sky Net" folgte, eine globale Ausweitung der Anti-Korruptionskampagne von Xi Jinping.

"Wir sehen, dass dies die offizielle Politik der Volksrepublik China, der Kommunistischen Partei Chinas, ist", erklärte Harth. "Und ich denke, es ist sehr beängstigend, dass sie meinen, sie könnten offen in europäisches Territorium und verschiedene Gebiete der Welt eindringen. Wir haben fast 300 Fälle und fast 60 Länder dokumentiert, in denen dies geschehen ist. Die Tatsache, dass sie glauben, sie könnten in unser Gebiet kommen und diese illegalen Strafverfolgungsmaßnahmen durchführen, wo immer sie wollen, ist wirklich sehr beängstigend", fügte Harth hinzu.

27 Fälle in 10 EU-Mitgliedstaaten

Offizielle chinesische Zahlen belegen 12.000 Rückführungsfälle aus mehr als 120 Ländern als Ergebnis der beiden großen Rückführungskampagnen. Diese werden von Peking oft als großer Erfolg angepriesen.

Es ist nicht ganz klar, wie viel davon Propaganda und wie viel echte Daten sind. Um ein Gefühl für das Ausmaß zu bekommen: Vor einigen Jahren gelang es China, im Rahmen einer speziellen Kampagne, bei der auch die Androhung kollektiver Strafen als Überzeugungsmittel eingesetzt wurde, innerhalb eines Jahres 230.000 Menschen zur Rückkehr nach China zu bewegen.

Die Aktivisten von "Safeguard Defenders" haben weltweit 283 konkrete Fälle ermittelt. Der Bericht enthält eine Tabelle, aus der hervorgeht, wer nach China zurückgeschickt wurde, wie dies geschah, und Berichte über gescheiterte Versuche. Von den 283 Fällen wurden 27 in EU-Mitgliedstaaten aufgezeichnet, darunter in Bulgarien (1 Fall), Zypern (2), Tschechien (1), Frankreich (5), Deutschland (1), Griechenland (1), Italien (9), Polen (1), Rumänien (1) und Spanien (5).

"Es passiert jeden Tag aufs Neue, überall auf der Welt. Und leider ist Europa meiner Meinung nach noch nicht aufgewacht, um diese Bedrohung zu erkennen", so Laura Harth. Obwohl es sich "offiziell" um gewöhnliche Kriminelle handelt, werden häufig Kritiker des chinesischen Regimes ins Visier genommen und illegal nach China verschleppt.

Trotz der Enthüllungen von 2022 über im Ausland operierende chinesische Geheimpolizisten, an denen mehrere EU-Mitgliedstaaten beteiligt waren, gab es keine gemeinsame Reaktion der EU.

Nach Ansicht der NGO haben die westlichen Regierungen die chinesischen Gemeinschaften isoliert. Laura Harth bezeichnet dies als "eine Art Rassismus", nach dem Motto: "Was in deren Gemeinschaft passiert ist deren Sache", aber genau das spielt Xi in die Hände.

Beunruhigende Entwicklungen in Ungarn

"Safeguard Defenders" kritisiert auch Pläne, wonach ungarische und chinesische Polizisten gemeinsam in Ungarn patrouillieren sollen, wie es derzeit in Kroatien geschieht und zuvor in Italien der Fall war, bevor die illegalen Polizeistationen aufgedeckt wurden.

"Wenn ich zur Zielscheibe werde und sehe, dass einheimische Polizisten mit chinesischen Kollegen zusammenarbeiten, werde ich mich nicht sicher fühlen und nicht melden, was mir passiert. Ich werde nicht darüber sprechen, dass ich mich bedroht fühle, dass meine Familie belästigt wird. Und natürlich werde ich auch keine Kritik an der Kommunistischen Partei Chinas üben", erklärt Laura Harth die Kritik.

Ganz zu schweigen davon, dass sich die chinesische Polizei auf diese Weise innerhalb des Schengen-Raums frei bewegen kann. An ihren freien Tagen können sie reisen, wohin sie wollen, ohne Kontrolle. "Wer weiß schon, welchen geheimen Auftrag sie ausführen?", die Aktivistin lässt die Frage offen.

Die chinesische Polizeipräsenz wurde kürzlich vom Europäischen Parlament thematisiert.

Mathieu Michel, Stellvertreter des Premierministers Belgiens, äußerte sich ebenfalls zu diesem Thema und sagte: "China drängt und setzt manchmal erfolgreich Polizeikräfte ein, sie umzingeln Innenministerien, aber das muss gestoppt werden, es muss verboten werden, es ist eine hybride Bedrohung, wir können dies nicht tolerieren."

Bisher wurde eine Euronews-Anfrage an die chinesische Botschaft in der EU zum Thema der illegalen chinesischen Rückführungen nicht beantwortet.

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