Hohe Preise im Supermarkt und Rechtsruck: Was die Europawahl daran ändern kann

Fridays for Future hat zu Demonstrationen im Vorfeld der Europawahl aufgerufen.

Wir leben in einer Zeit, in der sich ein Temperaturrekord an den nächsten reiht. Weltweit haben wir seit zehn Monaten jeden Monat die Temperaturrekorde gerissen, 2023 war das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Fast jede neue Woche neue Studien mit neuen Daten, den Wissenschaftler:innen fehlen mittlerweile die Worte. Die Klimakrise ist die größte Herausforderung unserer Menschheit.

Aber in Europa, hier sind wir doch eigentlich recht sicher? Die Auswirkungen, die werden uns doch nicht so stark treffen und sowieso, wir machen doch schon. Fehlanzeige.

Europa ist der Kontinent, der sich von allen am stärksten erhitzt und dieses Jahr hat die Europäische Umweltagentur wieder bestätigt, dass der Kontinent nicht ausreichend auf die Klimarisiken vorbereitet ist. Klimarisiken, das klingt vielleicht abstrakt, ist es aber nicht. Da geht es um Dürren, Fluten, Feuer, Ernteausfälle, Hitzetote, Verlust von Artenvielfalt.

Am 9. Juni 2024 ist Europawahl – und dabei geht es um unsere Demokratie

Fangen wir mit dem weniger Dramatischen an: Mehr Trockenheit führt zu mehr Ernteausfällen. Und das heißt dann zum Beispiel, dass das Olivenöl oder der Wein im Supermarktregal schlechtere Qualität hat und plötzlich teurer ist. Dramatischer wird es dann bei der Gesundheit: Allein durch Hitzewellen könnten Hunderttausende Menschen sterben, wenn die Politik nicht sofort handelt. Gerade ältere Menschen sind da besonders gefährdet. Vor ein paar Wochen haben die sogenannten "Klimaseniorinnen" vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erfolgreich die Schweiz verklagt, weil sie mit ihrem mangelnden Klimaschutz die Menschenrechte ihrer Bürgerinnen verletzt. Klimaschutz ist Menschenrecht, das hat der Gerichtshof so bestätigt.

Zahra Pischnamazzadeh, 22 Jahre, studiert in Dresden Internationale Beziehungen.

Klimaschutz zu machen, das ist eben kein Gefallen von Politiker:innen irgendwelchen Klimaaktivist:innen zuliebe. Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, es geht um soziale Fragen und darum, unser gesellschaftliches Zusammenleben zu schützen. Europa ist unsere beste Chance gegen die Klimakrise. Auf globale Herausforderungen wie die Klimakrise müssen wir international antworten, dafür sind wir auf eine handlungsfähige EU angewiesen.

Am 9. Juni, also in knapp fünf Wochen, sind Europawahlen und wenn ich die Schlagzeilen so lese, habe ich das Gefühl, viele haben jetzt schon aufgegeben. Europaweit sind Rechtsradikale auf dem Vormarsch, hier in Deutschland ist es die AfD. Erst letzte Woche wurde die neue Jugendstudie veröffentlicht, auch unter jungen Menschen gewinnt die AfD an Zustimmung, fast ein Viertel aller jungen Menschen würde sie mittlerweile wählen.

Alle zwei Wochen melden sich Aktivist:innen von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.

Erinnern wir uns doch an den Januar, knapp vier Monate ist er jetzt her. Mit über drei Millionen Menschen waren wir in der gesamten Republik auf den Straßen, das waren die größten Demos in der Geschichte der Bundesrepublik und wir Demokrat:innen, wir haben Haltung gezeigt, wir haben gezeigt, dass wir mehr sind, wir haben gezeigt, was wir können. Das war ein so radikal hoffnungsvoller Moment. So viele Menschen sind zum ersten Mal in ihrem Leben auf die Straßen gegangen – haben beschlossen, nicht mehr gleichgültig zu sein. Und genau daran müssen wir jetzt vor den Europawahlen wieder anknüpfen.

Wir haben jetzt Anfang Mai, jetzt geht es langsam in die heiße Wahlkampfphase. Bei diesen Wahlen geht es um alles, um nichts Geringeres als unsere Zukunft und die Demokratie. Diese Europawahl stellt die Weichen für unsere Zukunft, denn die nächsten fünf Jahre sind richtungsweisend. Bei dieser Wahl stehen die europäischen Klimaziele und Europas wichtigstes Klimaschutzprogramm, der Green Deal, auf der Kippe. Der Rechtsruck, den wir erleben, ist auch ein anti-ökologischer. Rechtsradikale leugnen die Klimakrise, wollen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen austreten und in diesem Rechtsruck scheinen auch Parteien der Mitte langsam die Sache mit dem Klima nicht mehr so ernst zu nehmen. In den letzten Monaten haben sich die Konservativen und Liberalen im Europaparlament immer wieder mit den Rechtsradikalen verbrüdert, um Klima- und Umweltschutz zu verhindern. So viel zur Brandmauer.

Bis zu 150.000 Menschen nahmen im Januar an den Demos gegen Rechts in Berlin teil.

Bei der Europawahl wählen erstmals jungen Menschen ab 16 Jahren

Als Fridays for Future geben wir alles, bei diesen Europawahlen die Demokratie und das Klima zu verteidigen. Mit der Zusammensetzung des Europaparlaments entscheidet sich, ob die EU in den nächsten fünf Jahren ihr großes Klimaschutzprogramm, den Green Deal, fortführt und stärkt oder gefährliche Rückschritte macht. Wir müssen den Green Deal verteidigen, aber ihn am Leben zu halten, reicht nicht aus – er muss ausgebaut werden, schlagkräftiger werden. Es geht schließlich um Menschenrechte. Bei diesen Wahlen können in Deutschland zum ersten Mal alle jungen Menschen ab 16 Jahren wählen gehen, es gibt so viele Erstwählerinnen und Erstwähler wie noch nie zuvor. Damit sind wir jungen Menschen bei diesen Wahlen eine entscheidende Kraft, auf uns kommt es an. Wir mobilisieren auf die Straßen und zu den Wahlen, denn wir wissen, dass Protest wirkt. Und wir laden alle ein, sich uns anzuschließen.

Mit #ReclaimTiktok haben wir einen Stein ins Rollen gebracht, der schon lange überfällig war. Klassischerweise wählen wir jungen Menschen progressiver als der Schnitt der Bevölkerung, stehen als junge Generation für Demokratie, für Klima, für soziale Gerechtigkeit – das haben wir zum Beispiel bei den letzten Europa- und Bundestagswahlen gezeigt. Bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen konnten wir zum ersten Mal einen Rechtsruck auch unter jungen Wählerinnen sehen, die neue Jugendstudie hat letzte Woche diesen Trend auch bundesweit bestätigt. Expert:innen schreiben diesen Rechtsruck unter jungen Leuten der Social-Media-Plattform Tiktok zu – Rechte nutzen sie schon lange, um junge Menschen zu erreichen, während sich demokratische Kräfte der Plattform lange verwehrt haben.

#ReclaimTiktok – worum es bei der Kampagne geht

Das ist dramatisch, denn viele junge Menschen informieren sich auf Tiktok, holen sich dort ihre politischen Informationen, bilden sich dort ihre Meinung. Also haben wir beschlossen, Tiktok nicht länger den Rechten zu überlassen und haben #ReclaimTiktok gestartet, eine Kampagne, die Plattform zurückzuerobern und die demokratische Mehrheit, die wir im Januar so eindrucksvoll auf den Straßen gezeigt haben, auch ins Netz zu tragen und dort sichtbar zu machen. Seitdem haben sich viele uns angeschlossen und machen mit – diese Woche haben wir mit #ReclaimTiktok die 60 Millionen Views geknackt, das zeigt, wie viel wir zusammen erreichen können!

Meldung

Faschisten und Rechtsradikale setzen auf unsere Gleichgültigkeit. Im Januar haben wir schon gezeigt, dass wir sie ihnen nicht geben und jetzt vor den Europawahlen, da werden wir das wieder zeigen. Wenn wir in Massen auf die Straßen gehen, dann ist das mächtig. Studien zeigen, dass Massenproteste vor Wahlen die Wahlbeteiligung signifikant erhöhen und demokratische Parteien stärken. Das haben wir 2019 schon einmal eindrucksvoll gezeigt, in Massen sind wir für das Klima auf die Straßen gegangen und haben die Wahlbeteiligung in die Höhe getrieben, wie noch nie zuvor – gerade unter jungen Menschen. Am Wochenende vor den EU-Wahlen werden wir in ganz Europa auf die Straßen gehen, für das Klima und unsere Demokratie. Am 31. Mai zeigen wir auf den Straßen, dass wir die EU nicht den Antidemokraten und Klimaleugnern überlassen. Dann ist Klimastreik. Überall werden gerade Demos geplant, es kommen immer mehr dazu. Bist du dabei?