Lage der Nation: Xi Jinping verpasst Bildungsstunde in Meinungsfreiheit

Zum ersten Mal seit fünf Jahren ist der chinesische Präsident Xi Jinping nach Europa gereist. ©Szilard Koszticsak/MTI - Media Service Support and Asset Management Fund

Raten Sie mal, wer diese Woche zum Abendessen kam? Zum ersten Mal seit fünf Jahren ist der chinesische Präsident Xi Jinping nach Europa gereist. Ein Besuch mit wenig Substanz, der jedoch symbolisch ist.

Sein Besuch begann in Frankreich. Dann reiste er weiter nach Ungarn und Serbien, in Länder, die Russland nahe stehen. Eine Erinnerung daran, wo die Chinesen eigentlich stehen.

Bevormundung von Xi Jinping in Paris

In Paris waren die Gespräche mit Emmanuel Macron und Ursula von der Leyen von einem sich abzeichnenden Handelskonflikt über Elektrofahrzeuge und die Ukraine geprägt. Letzteres ist für Europa ein besonderes Anliegen, da Peking seine Verkäufe von Dual-Use-Teilen, die in Raketen und Drohnen verwendet werden, an Russland stark erhöht hat.

Die europäischen Bemühungen, China davon zu überzeugen, Moskau nicht zu unterstützen, klangen recht bevormundend.

"Wir rechnen damit, dass China all seinen Einfluss auf Russland geltend machen wird, um Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beenden. Präsident Xi spielte eine wichtige Rolle, wenn es darum ging, Russland bei seinen unverantwortlichen nuklearen Drohungen zurückzuhalten. Und ich bin zuversichtlich, dass Präsident Xi dies auch weiterhin tun wird", sagte Ursula von der Leyen.

Xi Jinpings Besuch in Budapest

Bei seinem Besuch in Budapest verpasste Xi Jingping die Gelegenheit, eine einzigartige Bar zu besuchen. Die Budapester Bar "For Sale Pub". Vielleicht liegt es daran, dass die Kneipe seit jeher ein Symbol für die Freiheit ist. Sie ist nach einem alten Verkaufsschild benannt, das der Besitzer fand, als er es kaufte.

Das Besondere an der Kneipe sind die Tausenden von handgeschriebenen Notizen in der Muttersprache der Besucher, die die Wände und die Decke schmücken. Die Zettel enthalten Grüße, Gedanken und politische Botschaften, um mit zukünftigen Gästen zu kommunizieren. Die Bar ist immer voll, gar nicht so schlecht für einen Ort, der keine Werbung verwendet und keine Social Media Accounts hat. Aber das ist die Macht der freien Meinungsäußerung.

Der Besuch von Xi in Europa erfolgte zu einer Zeit der geopolitischen Unsicherheit vor dem Hintergrund der zunehmenden politischen Gewalt in Europa. Erinnern Sie sich an den deutschen Abgeordneten des Europäischen Parlaments der vor einer Woche von vier Unbekannten zusammengeschlagen wurde?

Zunehmende Gewalt gegen Juden und Muslime

Und dann ist da noch die zunehmende ganz alltägliche Gewalt in unserer Gesellschaft. Gegen Juden und Muslime, wie ich befürchte. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat diese Woche darauf hingewiesen, dass die Gewalt gegen Muslime weniger Beachtung findet.

"In Europa gibt es einen Unterschied bei der Bekämpfung von Hassverbrechen. Leider wird die Islamophobie nicht mit derselben Sensibilität behandelt wie der Antisemitismus", so Erdogan.

Der Hass auf Juden und Muslime hat ein Ausmaß erreicht, das jeden beunruhigen sollte. Verstärkt durch die sozialen Medien ist er nicht länger ein Randphänomen. Eine neue Studie der Universität Tel Aviv zum Beispiel zeigt, dass der weltweite Trend von antisemitischen Vorfällen so stark anstieg, wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Das geschah lange bevor die Hamas Israel angriff und den Krieg in Gaza auslöste. Das macht es für Grassroots-Bewegungen, die sich für Toleranz und Verständnis in Europa einsetzen, sehr schwer.

Eine Organisation, die gegen Rassismus und Antisemitismus kämpft

Ilan Colm, Direktor von HIAS Europe, dem europäischen Zweig einer der ältesten Flüchtlingsorganisationen der Welt erzählt, wie seine Organisation mit Rassismus und Antisemitismus umgeht.

Auf die Frage, wie sich der Antisemitismus auf seine Arbeit auswirkt, antwortete Colm: "Nun, da unsere Wurzeln in der jüdischen Gemeinschaft liegen, haben wir zunächst Juden geholfen bevor wir zu einer allgemeinen humanitären Organisation wurden, die allen Flüchtlingen hilft, unabhängig von ihrer Herkunft. Wir müsüsen nun bei unseren Einsätzen in Europa und in den USA aufpassen, wenn es darum geht, Menschen in unseren Büros zu empfangen. Wie fast jede andere jüdische Organisation in Europa."

HIAS hat den interreligiösen Dialog gefördert mithilfe eines von der EU geförderten "Nachbarnprojekts" in mehreren europäischen Städten. Ein Versuch, Juden und Muslime miteinander zu versöhnen.

Doch ist dies auf Gemeindeebene einfacher als auf einer nationalen oder internationalen Ebene?

EU fördert ein Projekt, der Brücken schlägt

"Sicherlich. Auf Gemeindeebene ist es meiner Meinung nach etwas einfacher, und zwar aus einem Grund: Weil es weniger öffentlich abläuft. Und wir haben in der Tat gesehen, durch die Initiierung dieser Interaktionen, dass in acht Städten in ganz Europa im Rahmen des "Nachbarnprojekts" eine Plattform des Vertrauens, der Beziehungen und Freundschaften zwischen jüdischen Gemeinden und ihren zugewanderten Nachbarn entstanden ist", so Colm.

"Wenn es dann einen Konflikt gibt, gibt es zumindest eine Plattform, um mit diesen Spannungen umzugehen. Nach dem Anschlag vom 7. Oktober gab es eine Menge Bedenken innerhalb des Projekts. Dass wir nicht in der Lage sein würden, in die Vereinigung, den Besuch und und die Öffnung von Synagogen zu fördern. Wir hatten Angst, gehen würde zu Ende gehen. Aber ganz im Gegenteil. Wir haben gesehen, dass genau die Freundschaften und die Beziehungen, die durch das Projekt in den ersten zwei Jahren entstanden sind wirklich geholfen haben, den Prozess aufrechtzuerhalten."

HIAS wurde ursprünglich 1881 als Hebrew Immigrant Aid Society gegründet, die humanitäre Hilfe für jüdische Flüchtlinge in den USA leistete. Heute liegt Ihr Schwerpunkt in Europa auf der Hilfe für ukrainische Flüchtlinge in Osteuropa.

"Wir haben 17 jüdische Gemeinden in ganz Europa, die über 1100 ukrainische Flüchtlinge unterstützen. Und dieses Interesse aufrechtzuerhalten, dieses Engangement nach zwei Jahren aufrechtzuerhalten, ist eine echte Herausforderung."

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